Zwei große Außenseiter-Würfe

Vincennes, Sonntag, 17. September 2023. Nachdem 2020 zu Beginn der Corona-Pandemie das sonst Anfang Mai ausgetragene Critérium des 4 Ans wegen des zu jener Zeit auch für den gesamten Pferdesport herrschenden Lockdowns im Spätsommer am Tag des Critérium des 5 Ans nachgeholt und 2021 bei diesem späteren Termin belassen wurde, hatten Le Trot und SECF bereits für 2022 entschieden, das Critérium der Dreijährigen ins Schaulaufen der Generationen 2018 bis 2020 einzufügen und das Preisgeld in allen drei Kriterien um 100.000 auf 300.000 Euro zu stemmen.
Josh Power auf dem Interims-Thron
Lag es an der Absage wegen eines Leistenbruchs, der im Übrigen nicht operiert werden musste, ihm nur einen einwöchigen Trainingsstopp verschaffte und bei allen Unwägbarkeiten das Winter-Meeting wieder in Reichweite rückt: Ohne Jushua Tree, Jean-Michel Bazires heuer kometengleich aufgestiegenen potentiellen Amérique-Crack, war die Nachfrage nach dem Critérium des 4 Ans mit 17 „Willigen“ gigantisch.
So hell der Bold-Eagle-Sohn in allen Vorbereitungsrennen gestrahlt hatte, so viel Schatten war auf die Anderen gefallen, und so taten sich „turfistes“ und Experten auf der Suche nach einem Favoriten enorm schwer. Letztlich fiel diese Rolle dem nach Siegen und Einkommen mit Abstand erfolgreichsten Just A Gigolo zu, der von zweijährig an für Philippe Allaire auf dem größtmöglichen Parkett mitgetanzt, 15 Matches für sich entschieden hatte und mit 935.550 Euro glasklar an der Spitze stand.
Allerdings hatte er bei den letzten fünf Auftritten alles andere denn souverän regiert, wurde für 3,4-fache Odds auf die 2.850 Meter entlassen - und hätte den Mumm seiner Anhänger fast belohnt.
Die Abwesenheit der heimlichen Nummer eins, an der man sich hätte orientieren können, schien die Mehrzahl der Kandidaten, von denen sich Jag Stryck und Juliet Papa Bravo früh im Galopp ausklinkten, keineswegs zu lähmen. Voller Tatendrang schoss Just For Love in Front und wurde bei durchgehend 1:12er Fahrt nach 900 Metern von Justin Bold abgelöst, hinter den sich über Spur drei Jango Vici quetschte.
Der Part des äußeren Anführers fiel Allaires Ex-Schützling J’Aime le Foot zu, der unter Antoine Lhérétés neuer Fuchtel rechtzeitig zu alter Form gefunden hatte. Er zog Just A Midi und Jakartas des Prés hinter sich her, während sich die Reichen bis zum Anstieg bedeckt hielten.
Dort wagten sich Underdog Jeannette Priory in die dritte und Just A Gigolo gar in die vierte Spur, und hinter dem immer stärker werdenden „Eintänzer“ wetzten Josh Power und „Mister Zuverlässig“ Juninho Dry die Messer, um sich eine große Scheibe vom üppigen Prämienkuchen abzuschneiden.
Früh war Just A Gigolo an Justin Bold vorbei und schien einem sicheren Triumph entgegen zu streben. Perfekt hatte allerdings Sébastien Ernault Josh Power um alle Klippen im Riesenfeld herumgeschippert. Aus dem Rücken des Allaire-Schützlings kam der von Offshore Dream gezeugte Fuchs, den Benjamin Goetz auf der 2022er Amérique-Auktion für 40.000 Euro ersteigert hatte, famos in Schwung und verfrachtete Just A Gigolo um eine halbe Länge auf den Ehrenplatz.
Zwei Längen dahinter mogelte sich Just Love You innen an Justin Bold vorbei zu „Bronze“ und bestätigte damit den rechtzeitigen wie deutlichen Aufwärtstrend, den die Fuchsstute bei beiden Siegen in den „Qualifikationsrennen“ offenbart hatte.
Hauteng ging’s dahinter zwischen Jakartas des Prés, Juninho Dry und J’Aime le Foot zur Sache, wobei der Lhérété-Hengst nicht ganz die guten Vorleistungen unterstreichen konnte.
Ein bisschen baff war Ernault ob des zweitwichtigsten Treffers - unvergessen sein 1.725:10-Schocker mit Oyonnax im Prix d’Amérique 2010 - seiner Karriere: „Josh Power hat zwar 2023 noch nicht gewonnen, aber mir bei den letzten drei Aufgaben ausnehmend gut gefallen. Darum hab‘ ich ihn auch nicht in die letzte Vorprüfung geschickt, um ihn frisch zu halten."
"Ich hab gehofft, er könne, wenn alles einigermaßen passt, um eine ordentliche Prämie mitmischen. An den Sieg in diesem Klassiker habe ich nicht gedacht. Als ich den Amérique gewonnen habe, war noch keines meiner beiden Kinder geboren. Heute waren sie mit auf der Bahn. Vor ihren Augen zu gewinnen, macht alles noch emotionaler.““
Mit den druckfrischen 135.000 Euro machte der Fuchs beim dritten Treffer „lifetime“ einen gewaltigen Satz auf 349.330 Euro. Für Just A Gigolo reichten die 75.000 Euro, um zum ersten Millionario der Generation 2019 zu avancieren: 1.010.550 Euro zieren sein Konto bzw. jenes von Züchter, Besitzer und Trainer Philippe Allaire.
1:12,2 - zügiger haben nur Akim du Cap Vert (1:11,8; 2014) sowie Enino du Pommereux und Hastronaute das Rätsel des Vierjährigen-Kriteriums gelöst; sie waren 2018 bzw. 2021 in 1:11,7 am Ziel der großen Wünsche.
Critérium des 4 Ans (Gruppe I nat., vierj. Hengste und Stuten; mind. 38.000 Euro
2850m Bänderstart o.Z., 300.000 Euro
1. Josh Power 12,2 Sébastien Ernault 247
4j. Fuchshengst von Offshore Dream a.d. Balginette von Hasting
Be: Ecurie BG Trot (Benjamin Goetz*); Zü: Jean-Pierre Mary; Tr: Benjamin Goetz *
2. Just A Gigolo 12,3 Franck Nivard 34
3. Just Love You 12,4 Alexandre Abrivard 66
4. Justin Bold 12,5 Jean-François Senet 120
5. Jakartas des Prés 12,6 Eric Raffin 120
6. Juninho Dry 12,6 Paul-Philippe Ploquin 91
7. J’Aime le Foot 12,6 David Thomain 88
8. Jaguar du Goutier 12,7 Damien Bonne 1340
9. Jazzy Perrine 12,7 Björn Goop 370
10. Just a Midi 12,7 Gabriele Gelormini 89
11. Jango Vici 12,8 Pierre-Yves Verva 620
12. Just For Lova 15,6 Antoine Lhérété 1590
13. Jeannette Priory 16,9 Tony Le Beller 720
Juliet Papa Bravo dis.r. Clément Duvaldestin 110
Jag Stryck dis.r. Mathieu Mottier 490
Jaguar Griff dis.r. Romain Hué 1120
Jérusalem dis.r. Benjamin Rochard 1060
Sieg: 247; Richter: sicher ½ - 2 - 2 – Hals - Kopf - k.Kopf - ½ Länge; 17 liefen
Zw-Zeiten: 12,2/1350m - 12,0/1850 - 12,4/2350m
Wert: 135.000 - 75.000 - 42.000 - 24.000 - 15.000 - 6.000 - 3.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2023-09-17/7500/4
Der nächste Schocker durch Krack Time Atout
Nichts wurde es nach der knappen Niederlage Just A Gigolos mit einer Satisfaktion für Monsieur Allaire im Critérium des 3 Ans, in in dessen Siegerliste sich sein „Gigolo“ im Jahr zuvor verewigt hatte. Dabei lief alles recht ordentlich nach Plan für seinen Koctel du Dain, den Krösus dieses Jahrgangs.
Der Boccador-de-Suimm-Sohn, der neun seiner 15 Aufgaben als Bester gelöst hat, ließ sich im Gegensatz zu Kristal Josselyn, der sonst so trabsicheren Kana de Beylev und Kamehameha, die sofort heraus waren, von vier Fehlstarts nicht kirre machen.
Kalmia Perrine und Keep Going kamen beim gültigen „Ab“ am zügigsten in die Gänge, doch auch der von David Thomain ganz außen abgebrachte Favorit war gleich gut dabei und nach dem ersten Wachwechsel zu Kanada bereits vorn, als es das erste Mal am Zielschild vorbeiging. Krack Time Atout spielte bis zum Anstieg die äußere Lokomotive und wurde dort von seinem Schatten King Opera abgelöst, hinter dem es sich wohl leben ließ.
Die Verfolger des „Kracks“ Konfinée, Kalamity d’Héripré und Kabaka de Guez wechselten bergauf geschlossen in Spur drei. Alles lief blendend zugunsten Koctel du Dains, doch dann zeigte sich, dass der Braune wie oft gesehen nicht der allerhärteste Kämpfer ist - mit Ausnahme des jüngsten Erfolges im Prix Jacques de Vaulogé, bei dem er in ähnlicher Konstellation den Rivalen davon geflitzt war. Von diesem Feuer war wenig zu sehen.
Weil Konfinée im Einlauf die Flügel hängen ließ, kam Krack Time Atout passend hinter King Opera ins Freie und machte seinem Namen alle Ehre. Als echter Crack packte er den größten Speed-Trumpf aus und erteilte Koctel du Dain, an dem sich auch King Opera um eine knappe Länge vorbei raufte, eine deutliche Abfuhr.
Zwei Längen voraus war der 496er Outsider zum vierten Mal in der von sechs roten Karten gespickten Laufbahn als Erster am Ziel und ließ Paul-Philippe Ploquin, jubeln. Mit 1:12,5 blieb der Face-Time-Bourbon-Sprössling nur um 0,3 Sekunden über dem seit 2021 von Idylle Speed gehaltenen Rennrekord und stockte sein Guthaben auf 291.600 Euro auf. Fast wäre Koctel du Dain auch noch die dritte Prämie durch die Lappen gegangen: Kanada kam nur um Haupteslänge zu spät.
„Die Fehlstarts haben ihn kein bisschen gestört. Krack Time Atout war die Ruhe selbst, und ich hab ihn machen lassen. Zu viel darfst du ihn anfangs nicht fordern, sonst verhaspelt er sich. Bergab fühlte ich mich als äußerer Anführer ein wenig allein gelassen, machte mir aber in jenem Moment keine Sorgen, als sich King Opera als Schlepper anbot. Und der war für uns das perfekte Zugpferd“, verriet Ploquin, für den es der erste Gruppe-I-Triumph im Fahren war.
Critérium des 3 Ans (Gruppe I nat., dreij. Hengste und Stuten; mind. 20.000 Euro)
2850m Bänderstart o.Z., 300.000 Euro
1. Krack Time Atout 12,5 Paul-Philippe Ploquin 496
3j.br. Hengst von Face Time Bourbon a.d. Topaze d‘Atout von Coktail Jet
Be: Philippe Barbe; Zü: SCEA du Beaumanoir; Tr: Sébastien Guarato
2. King Opera 12,6 Eric Raffin 90
3. Koctel du Dain 12,6 David Thomain 15
4. Kanada 12,6 Théo Duvaldestin 140
5. Ksar 12,7 Matthieu Abrivard 100
6. Kalmia Perrine 12,7 Clément Duvaldestin 650
7. Keep Going 12,8 Loris Garcia 1500
8. Kalamity d’Héripré 12,9 Franck Nivard 300
9. Kabaka de Guez 13,1 Nicolas Bazire 440
10. Kaiser River 13,4 Gabriele Gelormini 1360
11. Katchina de Simm 14,0 Anthony Barrier 490
12. Konfinée 15,9 Alexandre Abrivard 1270
Kana de Beylev dis.r. Benjamin Rochard 140
Kamehameha dis.r. Björn Goop 380
Kristal Josselyn dis.r. Tony Le Beller 600
Sieg: 496; Richter: leicht 2 - ¾ - Kopf - ¾ - 1 - Kopf; 15 liefen
Zw-Zeiten: 13,2/1200m - 13,2/1700 - 12,9/2200m
Wert: 135.000 - 75.000 - 42.000 - 24.000 - 15.000 - 6.000 - 3.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2023-09-17/7500/6
Der Primus muss kämpfen
Im chronologisch letzten der französischen „Jahrgangs-Derbys“, das oft mit faustdicken Überraschungen wie 2022 durch 694er Außenseiter Hussard du Landret aufgewartet hat, stand endlich die Form des Favoriten. Jedoch musste 15:10-Primus Idao de Tillard härter ackern, als es den Nerven seiner Anhänger gut tat, obwohl alles zugunsten des Duvaldestin-Schützlings lief.
Idéal du Pommeau, die vielleicht schärfste der drei Guarato-Waffen, trat gar nicht erst an. Iroise de la Noé als vermeintlich aussichtsreichste der drei „Mademoiselles“, die sich gegen die männliche Übermacht wagten, kollidierte kurz nach dem Start mit Instrumentaliste, womit beide heraus waren. Izoard Védaquais, eine Siegmaschine wie Idao de Tillard, galoppierte ausgangs des Bogens von Joinville, als er Ibiki de Houëlle unbedingt die Spitze abjagen wollte und somit den gebrauchten Tag für Monsieur Allaire rund machte.
Im Windschatten des von Franck Leblanc trainierten Ibiki, der einen schneidigen Takt vorgab, konnte Clément Duvaldestin lange Kräfte sparen, denn It’s a Dollarmaker, der einzige echte verbliebene Kontrahent, musste erst die Lücke schließen, was kurz nach dem Gipfel vollendet war. Außen kamen Inmarosa und Idéal Ligneries angestiefelt, so dass sich Raffin mit dem „Dollarmacher“ vor sie setzte und wenig später auch Idao de Tillard nach außen beordert wurde.
Ibiki de Houëlle bekam er im Einlauf rasch in den Griff, auch der etwas nach außen driftende It’s a Dollarmaker stellte für die finalen 100 Meter keine wirkliche Gefahr mehr dar. Umso gefährlicher war die mittendurch schießende Inmarosa. Es bedurfte unansehnlicher „Hilfen“ Duvaldestin juniors, dass der etwas faule Séverino-Sohn sich noch mal ins Zeug legte und eine halbe Länge Vorsprung gegen die unerschrockene Angreiferin ins Ziel rettete, hinter der Léo Abrivard nur geringfügig weniger wuchtig finishte und die ihre aktuellen Formen regelrecht Kopf stellte.
Nach 1:11,7, die auch für die Amiral-Sacha-Tochter notiert wurden, war der dritte Treffer auf höchstem Niveau nach jenen im Prix de Sélection und Critérium Continental (jeweils 2022) fix, der das Konto des im Januar 2022 erstmals auf Gruppe-Ebene präsenten Braunen auf 1.258.430 Euro hievte. Mit 1:11,5 behielt Up and Quick seinen vor zehn Jahren aufgestellten Rennrekord.
„Beim Sieg im Prix Jockey vor zwei Wochen war Idao außergewöhnlich, heute längst nicht so beeindruckend. Das lag vielleicht auch an der um 300 Meter längeren Distanz. Er trägt noch immer 180 Gramm schwere Vordereisen, die er nun etwas weiter schleppen musste. Ich bin sehr erleichtert. Man kann das beste Pferd im Rennen haben und doch nicht gewinnen, weil immer was passieren kann."
"Ich habe letzte Nacht sehr schlecht geschlafen und bin heilfroh, dass das Ding durch ist. Idao hat so viele Meriten gesammelt - er ist das Pferd, von dem jeder träumt, es in seinem Stall zu haben. Ein echter Krieger, der die Zähne zusammenbeißt“, kommentierte Thierry Duvaldestin als Vater des Sieges.
Strafen für die beiden Jungspunde
Das Finish mit „Schaufel und Besen“, sprich mit fliegenden Peitschen und Leinen, das genau in jener Art ablief, die Tierschützer auf den Plan ruft und auch in Frankreich längst sanktioniert wird, hatte für die beiden jugendlichen Heißsporne ein Nachspiel vor der Rennleitung.
Weil es ein Wiederholungsfall zum 19. August in Vincennes und zum 25. August in Caen war, muss Clément Duvaldestin, der schon des Öfteren durch seine ruppige Hand aufgefallen ist, 300 Euro berappen und vier Tage - vom 1. bis 4. Oktober - „zu Fuß gehen“.
Léo Abrivard erhielt für die erstmalige Wiederholung in der Karenzzeit die Hälfte aufgebrummt. Angesichts der Prämien, die auf dem Spiel standen, ein Witz, vergleicht man diese Strafen mit jenen in Nordeuropa bzw. Deutschland.
Critérium des 5 Ans (Gruppe I nat., fünfj. Hengste und Stuten; mind. 61.000 Euro)
3000m Bänderstart o.Z., 300.000 Euro
1. Idao de Tillard 11,7 Clément Duvaldestin 15
5j.br. Hengst von Séverino a.d. América de Tillard von First de Retz
Be: Cyriel Sevestre; Zü: Ecurie Chaunion; Tr: Thierry Duvaldestin
2. Inmarosa 11,7 Léo Abrivard 980
3. It’s a Dollarmaker 11,8 Eric Raffin 65
4. Idéal Ligneries 11,9 Franck Nivard 240
5. Ibiki de Houëlle 12,0 Anthony Barrier 270
6. Igrec de Celland 12,4 David Thomain 510
7. Impressionist 12,9 Björn Goop 480
8. Ipalio 13,4 Pierre-Yves Verva 980
9. Inoubliable 15,2 Jean-Philippe Dubois 1130
Izoard Védaquais dis.r. Alexandre Abrivard 130
Instrumentaliste dis.r. Benjamin Rochard 230
Iroise de la Noé dis.r. Thomas Levesque 82
Sieg: 15; Richter: Kampf ½ - 1 ½ - 2 - 2 - 6 - 7 Längen; 12 liefen (NS Idéal du Pommeaux / Attest)
Zw-Zeiten: 11,8/1500m - 11,0/2000 - 11,6/2500m
Wert: 135.000 - 75.000 - 42.000 - 24.000 - 15.000 - 6.000 - 3.000 Euro