Wieder ganz der Alte

Vincennes, Samstag, 9. Dezember 2023. Das Critérium Continental ruft, und dieser Ruf verhallte nicht ungehört bei den Vierjährigen Europas für die am Heiligen Abend entschiedene Gruppe-I-Prüfung, bei der für den Sieger nebst 90.000 Euro ein Startplatz im Prix d’Amérique auf dem Spiel stehen wird.
Diesmal noch nach Stuten und Hengsten getrennt, wollten sich nach Streichung der beiden Italiener Dylan Dog Font und Desiderio d’Esi 27 Kandidaten des Jahrgangs 2019 den letzten Schliff holen.
Zuerst waren im Prix Octave Douesnel die Hengste gefragt, von denen Jushua Tree den ersten Ausrutscher nach sieben Siegen am Stück, die ihn zumindest sportlich auf den Thron der Generation „J“ gehievt hatten, umgehend und mit Brachialgewalt in altbewährter Manier korrigierte.
Vor 14 Tagen war der Bold-Eagle-Sohn beim Comeback nach der 2½-monatigen Zwangspause wegen eines Leistenbruchs erstmals gegen Fünfjährige angetreten, hatte sich einen 40 Meter kostenden Startfehler geleistet und war von Jean-Michel Bazire ohne große Ambitionen auf den fünften Quinté-Platz gezirkelt worden.
„Kein Problem, er hat den letzten Kilometer in 1:10,2 absolviert. Im ‚Octave Douesnel‘ gegen die Altersgefährten sollte er wieder der Alte sein“, hatte der 20-fache Sulky d’Or seine Anhänger beruhigt, die diesen Worten vertrauten und den aus 16 Versuchen zwölffachen Sieger im Mammutfeld aus je sieben Italiener und Franzosen sowie zwei Schweden mit 15:10 zum sonnenklaren Favoriten kürten.
„JMB“, für den dieses Meeting bislang suboptimal gelaufen war, hatte zuvor schon mal mit Iron du Gers und King Georges exzellent Maß genommen und vollendete mit seinem neuen Crack den Hattrick im schlanken Gang.
Das Dreamteam ließ sich auch von zwei Fehlstarts nicht aus der Ruhe bringen und war gleich bei der vorderen Musik, für die Italiens sechsfacher Gruppe-I-Sieger Dimitri Ferm sofort den Ton vor Jag Stryck, Josh Power und Diluca Mo angab, bis ihn Josh Power eingangs des Bogens von Joinville ablöste. Außen robbte sich Jushua Tree vor Deus Zack voran.
Zu Beginn des Anstiegs ließ Bazire ein erstes Mal die Muskeln spielen und übernahm das Zepter, was es auch schon gewesen sein sollte für Volltreffer Nummer 13, der den Braunen auf 425.150 Euro hievte. Waren an der letzten Ecke noch Jakarta des Prés in zweiter und Coquaholy in dritter Linie die hartnäckigsten Herausforderer, so gaben diese auf den rasanten letzten 300 Metern zügig klein bei.
Zwei Längen voraus bekam der wie ein Lausbub grinsende Bazire mit, wie sich innen Dimitri Ferm um eine Länge gegen den speedigen Josh Power den Ehrenplatz schnappte.
„Alles im grünen Bereich. Er ist perfekt in die Hufe gekommen und hat seinen Job erledigt. Die Zielgerade war gut genug - ich hatte 1:05/1:06 auf der Uhr. Wir sind voll im Zeitplan“, bekannte Bazire, der als nächste Aufgabe natürlich das Critérium Continental im Auge hat.
Für Jan Kumpen, den Mann des Gestüts Olmenhof, geht der Traum weiter: „Ich habe seit 25 Jahren Pferde in Frankreich, und obwohl durchaus einige gute dabei waren, hatte ich so einen noch nie! Ich denke, heute haben wir wieder den Jushua des Frühlings und Sommers gesehen. Ich schwebe auf Wolke sieben und bin gespannt auf den ‚Continental‘.“
Nichts, aber auch gar nichts zu meckern hatte Alex Abrivard, was Italiens Derby-Sieger Dimitri Ferm betrifft: „Das war für die Frankreich-Premiere mit Eisen über den ungewohnt weiten Weg exzellent. Ich denke, barfuß und die Mittelstrecke des ‚Continental‘ - das wird ihm noch mehr behagen.“ Heiligabend wird der 731.266 Euro reiche Nad-Al-Sheba-Sprössling sich vermutlich mit einem anderen Steuermann anfreunden müssen, weil Abrivard Just Love You chauffieren wird.
Prix Octave Douesnel (Gruppe II int., vierj. Hengste)
2700 Meter Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Jushua Tree 12,8 Jean-Michel Bazire 15
4j.br. Hengst von Bold Eagle a.d. Ma Sissi James von Buvetier d‘Aunou
Be: Ec. Olmenhof (Jan Kumpen) & Hugues Rosseau; Zü: Hugues Rosseau; Tr: Jean-Michel Bazire
2. Dimitri Ferm 12,9 Alexandre Abrivard 290
3. Josh Power 12,9 Sébastien Ernault 83
4. Coquaholy 13,0 Björn Goop 660
5. Diluca Mo 13,1 Franck Nivard 180
6. Jag Stryck 13,1 François Lagadeuc 750
7. Harpy 13,2 Robert Bergh 300
8. Just A Midi 13,2 Gabriele Gelormini 290
9. Justin Bold 13,3 Jean-François Senet 150
10. Deus Zack 13,4 Benjamin Rochard 460
11. Dundee As 13,4 Nicolas Bazire 370
12. Jakartas des Prés 13,7 Eric Raffin 270
13. Dardo Zack 15,1 Matthieu Abrivard 1140
J’Aime le Foot dis.r. David Thomain 160
Dolce Viky dis.r. Federico Esposito 1070
Dubai Kronos dis.r. Paul-Philippe Ploquin 1300
Sieg: 15; Richter: leicht 2 - 1 - 1 - 1¼ - Hals - 1¼ - Kopf; 16 liefen (NS Desiderio d’Esi, Dylan Dog Font)
Zw-Zeiten: 13,2/1200m - 12,8/1700m - 13,5/2200m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2023-12-09/7500/3
Deftige Liebeserklärung
Ebenso souverän wie Bazires Überflieger beherrschte zwei Stunden später im Prix Ariste Hémard Just Love You die Damen des 2019er Crops, von denen Juliet Papa Bravo nur noch ein Schatten früherer Klasse darstellt und sich bereits am Start verabschiedete. Den begann auch Joyce sehr wacklig, wogegen Bonneville W.I. losflog wie ein Pfeil und sich ruckzuck die Spitze vor Just Love You, Jazzy Perrine und Divina Trio sicherte.
Alex Abrivard wartete bis zum Scheitel des Joinviller Bogens im Windschatten der Schwedin, knöpfte ihr dort das Kommando ab, rochierte am Gipfel ganz kurz mit Diva del Ronco und ließ wenig später den gutgemeinten Angriff von Global Dancer, der Aurelia Express und die im Schlussbogen aus dem Takt kommende Joumba de Guez auf den Fersen waren, ganz locker an sich abtropfen.
Ein kurzer Wink des 30-jährigen, die Fuchsstute nahm die Beine ein drittes Mal entschlossen in die Hand und macht den zehnten Erfolg 1½ Längen vor der krassen Außenseiterin Diva del Ronco (von Varenne) perfekt, ohne ihren starken Anhang ins Schwitzen zu bringen.
Platz drei ging an die von Raffin geschont und unauffällig durchs Vordertreffen geschipperte Jazzy Perrine, die mit fast 600.000 Euro noch immer die Primadonna ihrer Generation ist, aber allmählich die Last der frühen Auseinandersetzungen auf hoher und höchster Ebene zu spüren scheint.
Ganz anders Just Love You, die ja schon einmal - am 29. Januar im Prix Ourasi - der männlichen Konkurrenz in eine Gruppe-I-Suppe gespuckt und sie das Fürchten gelehrt hat. „Das war nicht gar so schlecht“, kommentierte Laurent-Claude, nicht nur der Vater Alex‘, sondern auch des Erfolgs, verschmitzt, „sie geht in 1:12,7 spazieren. Es läuft alles wie geplant. Sie ist bei vielleicht 80 Prozent und absolviert den letzten Kilometer in 1:11,6. Wir sind für den ‚Continental‘ gerüstet.“
Prix Ariste Hémard (Gruppe II int., vierj. Stuten )
2700m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Just Love You 12,7 Alexandre Abrivard 21
4j. Fuchsstute von Love You a.d. Just in Love von Ever Jet
Be / Zü: Michèle Bliard; Tr: Laurent-Claude Abrivard
2. Diva del Ronco 12,8 Mario Minopoli jr 1010
3. Jazzy Perrine 13,0 Eric Raffin 150
4. Joyce 13,1g Mathieu Mottier 240
5. Global Dancer 13,1 David Thomain 280
6. Aurelia Express 13,2 Gabriele Gelormini 120
7. Divina Trio 13,4 Franck Ouvrie 640
Juliet Papa Bravo dis.r. Clément Duvaldestin 49
Bonneville W.I. dis.r. Björn Goop 270
Joumba de Guez dis.r. Jean-Michel Bazire 60
Jongleuse de Lune dis.r. Franck Nivard 160
Sieg: 21; Richter: leicht 1½ - 4 - 1½ - ½ - 1¼ - 1½ Längen; 11 liefen
Zw-Zeiten: 13,7/1200m - 13,2/1700m - 13,2/2200m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2023-12-09/7500/7
Spektakulärer Sturmlauf
2022 begann Horsy Dream im Prix Narquois für Fünfjährige, die noch keine 305.000 Euro verdient hatten und in dessen Ehrenliste Cracks wie Monté-Weltrekordler Dreambreaker (2018), Feydeau Seven (2020) und Ampia Mede SM (2021) prangen, eine Rallye, die ihn zu einer der Entdeckung jenes Winters bis in den Prix d’Amérique führte.
Gut möglich, dass sein damaliger Steuermann Eric Raffin mit Ibiki de Houëlle den nächsten „Underdog“, der sieben seiner 27 Rennen gewonnen, aktuell aber sechs Mal in Folge nichts bzw. alles gerissen hatte, zu strahlend schönem Leben erweckt.
Robert Berghs Kagan kam vor dem im Joinviller Bogen unvermittelt springenden Indy Rock am zügigsten in die Gänge, doch auch Raffin fackelte keine Sekunde. Als es das erste Mal am Zielschild vorbeiging, schwang er mit dem Love-You-Sohn aus dem Hause Leblanc das Zepter - und dabei sollte es auf den folgenden 1.925 Metern bleiben.
Bei kaum glaublichen Zwischenzeiten auf der regennassen Piste - immerhin führt die Gruppe-III-Prüfung über die Amérique-Distanz von 2.700 Metern - hatte der in Dänemark geborene Gasolin ein schweres Amt, Crown Wise As, Igrec de Celland und Favorit Ino du Lupin durch die Außenspur zu ziehen, zumal der Tempomacher keinen Deut einbrach.
Er ließ all die schwachen Formen vergessen, zog seinen Stiefel zum zweiten Erfolg auf Gruppe-III-Niveau gnadenlos durch und kreuzte vier Längen vor Ino du Lupin, der für den Ehrenplatz Kagan sicher einsammelte, in formidablen 1:11,4 die Linie.
„Ist er richtig fit und kommt in Front, ist er eine Dampfwalze“, bestätigte Trainer und Besitzer Franck Leblanc - und zog damit dezent eine Parallele zu Bellino II und Rapide Lebel, die sich in ähnlichem Stil den Titel des „compresseur“ redlich verdient haben. Mit 280.460 Euro ist für Ibiki dahingehend noch viel Luft nach oben.
Die Schuld, dass es für Ino du Lupin beim 20. Auftritt nicht zum 14. Sieg reichte, sah Trainer Jean-Paul Marmion bei sich: „Ich habe Antoine wohl die verkehrte Taktik mit auf den Weg gegeben, ihn ruhig loszuschicken. So lag er zu weit vom vorderen Schuss. Andererseits ist’s wahrhaftig keine Schande, einem solchen Pferd zu unterliegen“, das seine Arbeit im Schnitt volle 2,2 Sekunden zügiger erledigte als vor einem Jahr Horsy Dream.
Prix Narquois (Gruppe III int., Fünfjähr., keine 305.000 Euro)
2700 Meter Bänderstart o.Z., 80.000 Euro
1. Ibiki de Houëlle 11,4 Eric Raffin 43
5j.dklbr. Hengst von Love You a.d. Sawasde de Houëlle von Gazouillis
Be: Daniel Augereau; Zü / Tr: Franck Leblanc
2. Ino du Lupin 11,7 Antoine Wiels 21
3. Kagan 11,8 Robert Bergh 68
4. Crown Wise As 12,4 Jean-Michel Bazire 150
5. Igrec de Celland 12,6 David Thomain 260
6. Gasolin 12,8 Alexandre Abrivard 260
7. Instinct d’Am 12,8 Gabriele Gelormini 1060
8. Condor Bar 12,9 Mario Minopoli jr 1180
9. Inshore 14,8 Laurent-Cl. Abrivard 1760
10. Cool Kronos 15,0 Nicolas Bazire 950
11. Iron Méslois 15,6 Pierre Belloche 1530
12. Cherry Top 15,9 Jean-Charles Piton 1830
Indy Rock dis.r. Franck Nivard 73
Ibiscus Man dis.r. Romain Christian Larue 420
Sieg: 43; Richter: überlegen 4 - 1 - 7 - 3 - Hals - 1 Länge; 14 liefen
Zw-Zeiten: 10,1/1200m - 10,7/1700m - 11,8/2200m
Wert: 36.000 - 20.000 - 11.200 - 6.400 - 4.000 - 1.600 - 800 Euro