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Mission Weltrekord gescheitert

Mühelos, aber ohne Rekord: Face Time Bourbon mit Eric Raffin (Foto: hippos.ft/Ida Laine)
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Finnland

Mikkeli, Sonntag, 18. Juli 2021. Da hatte sich das 55.000 Einwohner kleine Mikkeli, das eine der schnellsten Pisten Europas hat, für seine Verhältnisse ziemlich weit aus dem Fenster gelegt und nach etlichem Hin und Her zu Beginn des Juni, als man noch auf das dritte Duell zwischen Face Time Bourbon und seinem zweimaligen Bezwinger Zacon Gio gehofft hatte, zumindest dem Franzosen einen Charterflug spendiert. Als die Entscheidung „pro Flug“ endlich gefallen war, hatten Holger Ehlert & Co. längst umdisponiert und nahmen lieber am gleichen Abend den Gran Premio Due Mare zu Tarent ins Visier, in dem es um auch nicht zu verachtende 110.000 Euro ging.

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Für den Auslöser zu schnell (Foto: letrot.com)

Beworben wurde die Meile von St. Michel mit einem Weltrekord-Versuch: Vor 19 Jahren, am 14. Juli 2002, hatte ein gewisser Varenne im St Michels Ajo mit 1:09,3 einen Weltrekord für 1.000-Meter-Bahnen aufgestellt. Der hat zwar längst nicht mehr Bestand – zu unterbieten oder zumindest egalisieren sind Sebastian K.s 1:07,7 vom 28. Juni 2014 aus Pocono Downs -, ist jedoch als Rennrekord von Mikkeli erst im Vorjahr von Next Direction auf 1:08,9 verbessert worden.

So akribisch und mit viel Herz hatte der Veranstalter alles geplant - und dann spielte der Wettergott einen deftigen Streich. Die vorhergesagten 21 Grad waren ohnehin kein „Rekordwetter“. Schlimmer noch: Der sonst fast immer Mitte Juli blitzblanke Himmel über Nordosteuropa hatet sich bezogen, und einige kräftige Regengüsse prasselten zur Mittagszeit herab. Zwar war die Bahn um 16.45 Uhr (Ortszeit) abgetrocknet und so gut es ging präpariert, doch für einen ernsthaften Angriff auf die Bestzeit bedarf es neben einem Top-Athleten eben auch optimaler Bedingungen.

Dazu kam Startplatz „7“ für Face Time Bourbon und die Abwesenheit echter Rivalen, die ihn hätten wirklich fordern und von Beginn an für knackiges Tempo sorgen müssen. Gewappnet war der Stall Guarato dafür durchaus und hatte Face Time Bourbon - wie auch Billie de Montfort - sicherheitshalber mit Zugwatte und -klappen, dem sogenannten „Norweger-Zaum“, ausstaffiert.

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(Foto: twitter.com)

Es kam wie zu erwarten. Next Direction zündete von der „4“ Raketenstufe eins und fegte in Front - da  hatte selbst „FTBs“ Reise- und Trainingsgefährtin Billie de Montfort (5) beim 127. Auftritt ihrer ruhmreichen Laufbahn das Nachsehen und parkte hinter dem Titelverteidiger, aber vor Vitruvio ein. Seismic Wave war schon kurz nach dem Startschuss im Galopp „out“, Face Time Bourbon lotste zunächst nach hinten versetzt Grainfield Aiden und Evaluate durch Spur zwei. Schon nach der ersten Zwischenzeit von 1:09 war klar, dass ein neuer Weltrekord Utopie bleiben würde - bei der zweiten umso mehr, obwohl da Face Time Bourbon längst vorn war.

Weil Iikka Nurmonen kein Selbstmörder ist, hatte er dem 12:10-Favoriten keinerlei Widerstand entgegengesetzt, als der in der zweiten Kurve mit Schmackes angebraust kam. Der Rest war Formsache: Auf den letzten 700 Metern war endlich richtig Zug im Beritt, setzte sich der Ready-Cash-Sohn Meter um Meter von der Konkurrenz ab, die nur aufs zweite Geld erpicht sein konnte. Ab 150 Meter vorm Ziel warf Eric Raffin Kusshändchen in die offiziell 6.934 Zuschauer große Menge und animierte sie zur Jubel-Welle, wobei er die Peitsche im Sack ließ - das hatte er offensichtlich aus dem Paralympiatravet gelernt.

Natürlich blieben beim Parademarsch die Ohrstöpsel drinnen und die Klappen oben - wie auch bei Billie de Montfort, die als innere Dritte gemeinsam mit ihrem ständigen Schattenmann Vitruvio nie das Tageslicht sah und unausgefahren im Herbst ihrer Kariere noch mal 16.000 Euro mitnahm.

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(Foto: twitter.com)

Für Face Time Bourbon, der vor dem Rennen wie immer die Ruhe selbst war und wie weiland Ourasi zur Statue erstarrt die Zuschauermenge ausgiebig musterte, war der im schlanken Gang erzielte 32. Treffer aus 38 Versuchen stolze 80.000 Euro wert. Ob er bzw. seine Entourage die dazugehörige Einladung zum Åbergs Memorial annimmt, ist noch nicht entschieden. Anreisen würde er dann als 2.993.940 Euro schwerer Klotz.

Sein Steuermann trug sich zum zweiten Mal in die Ehrenliste ein: Vor zehn Jahren hatte Raffin mit dem gleichfalls von Sébastien Guarato trainierten Feuerstuhl Rapide Lebel in 1:09,4 dominiert.

St. Michels Ajo (Gruppe I int.)

1609m Autostart, 142.000 Euro

1.      Face Time Bourbon     09,7     Eric Raffin                           12                           

         6j.dklbr. Hengst von Ready Cash a.d. Vita Bourbon von Love You

         Be: Scud. Bivans Srl, IT (Antonio Somma); Zü: SARL Haras Saint Martin (Rainer Engelke); Tr: Sébastien Guarato

2.      Next Direction               10,4     Iikka Nurmonen              151

3.      Billie de Montfort          10,5     Gabriele Gelormini         135

4.      Run for Royalty             10,6     Pekka Korpi                     447

5.      Vitruvio                           10,8     Alessandro Gocciadoro 273

6.      Grainfield Aiden           10,9     Hannu Korpi                    570

7.      Evaluate                         11,6     Santtu Raitala                  528                           

         Seismic Wave               dis.r.    Hannu Torvinen              124

Sieg: 12; Richter: überlegen 5 - 1¼ - Kopf - 1½ - 1 Länge; 8 liefen

Zw-Zeiten: 09,0/500m - 10,2/1000m - 08,0/letzte 500m

Wert: 80.000 - 33.000 - 16.000 - 7.000 - 3.000 - 1.000 - 1.000 - 1.000 Euro

Video: https://www.youtube.com/watch?v=QzKUsv6J_eY