Im Liegestuhl zu 76.500 Euro
(nn) Cagnes-sur-Mer, Sonntag, 8. März 2020. Antonio Somma kommt aus dem Strahlen momentan gar nicht mehr heraus. Nachdem sein Face Time Bourbon mit drei Siegen der Kategorie I zum ungekrönten Matador des Pariser Winter-Meetings geworden ist, stach in der 63. Auflage des Grand Critérium de Vitesse de la Côte d’Azur auch der zweite große internationale Trumpf für die gelbe Jacke mit den grünen Ärmeln seiner Scuderia Bivans. Im August 2019 hatte Vivid Wise As, nachdem er sich im August 2017 schon mal in Enghien beim Sieg im Prix Henri Cravoisier außerhalb seiner italienischen Heimat zart bemerkbar gemacht hatte, auf der 1288-Meter-Bahn an der französischen Riviera endgültig für einen Platz in der internationalen Elite höchst nachdrücklich den Finger gehoben: In furiosen 1:08,6 hatte er für 232:10 den Rivalen im Grand Prix du Département des Alpes-Maritimes Saures gegeben.
Eingedenk dieses Donnerschlags, und weil auch die weiteren Ergebnisse halbwegs stimmten und er nach der Disqualifikation in der Endphase des Amérique im Gegensatz zu zahlreichen der heutigen Mitstreiter in aller Ruhe die Form halten bzw. ausbauen konnte, wurde er von den wegen des Corona-Virus „live“ ausgesperrten „Turfistes“ bei 28:10 auf den Favoritenschild gehoben.
Alessandro Gocciadoro enttäuschte die Fangemeinde nicht. Zwar hatte er gegen die beiden Blitzstarterinnen Uza Joselyn und vor allem Billie de Montfort nicht den Hauch einer Chance, sofort die Kommandobrücke zu entern. Auch Délia du Pommereux kam überraschend zügig ins Match und konnte nach 200 Metern in Front ziehen. Das bescherte Vivid Wise As vor Earl Simon, Dijon, Bahia Quesnot, Looking Superb und Sonia den Part des äußeren Anführers, was der 45-jährige nicht sonderlich witzig fand. Rigoros forcierte er die Pace und wurde von Nivard eingangs der Gegengeraden ohne große Widerrede nach vorn gelassen, wo er fortan zügig schaltete und waltete. Earl Simon bzw. Franck Ouvrie jedenfalls hüteten sich, ihn unter Druck zu setzen.
Mitte des Schlussbogens wurde es Ernst, als Dijon in dritter und Looking Superb in vierter Gefechtsreihe zum Angriff bliesen. Um Vivid Wise As mussten sich dessen Anhänger keine Sorgen machen: Unbeirrt zog der Yankee-Glide-Sohn, von „Alex“, der sonst kein Kind von Traurigkeit ist, was den Einsatz der Peitsche oder sonstiger „Hilfsmittel“ ist, nur mit den Händen gefahren seine Kreise. An erwähnte 1:08,6 brauchte er nicht heran, auch der gemeinsam von Bold Eagle (2018) und Readly Express (2019) gehaltene 1:08,9-Rennrekord geriet nie in Gefahr, doch imponierte es enorm, wie er in 1:09,7 ohne sonderliche Anstrengung zum insgesamt fünften Gruppe-I-Sieg durchzog. Die ersten drei waren ihm zwei- (Gran Premio Allevatori/Rom) und dreijährig (Gran Premio Tito Giovanardi/Modena, Gran Premio Nazionale/Mailand) noch unter der Obhut von Marco Smorgon mit Enrico Bellei gelungen, bei Numero vier, jenem im Gran Premio Turilli 2019 von Neapel, hatte dann schon der „gelbe Mann“ Regie geführt.
Eine gute Länge dahinter blieb der von Franck Ouvrie genauso wenig angefasste Earl Simon, für den der erste klassische Sieg weiterhin in der Lade der unerledigten Fälle liegt, sicherer Zweiter, weil Dijon beim dritten Start nach langer Pause Mitte der Zielegraden an vierter Position aus dem Takt geriet und Looking Superb die eher mäßigen Eindrücke aus dem Winter bestätigte. Selbst in der Hand von Zauberkünstler Bazire ging dem Norweger mit der langen Blesse auf der Zielgeraden etwas die Luft aus. Das ganze Gegenteil war wieder mal die schier unverwüstliche Billie de Montfort, die in diesem Winter ihren dritten Frühling erlebt. Die seit zweijährig auf höchster Ebene tanzende Jasmin-de-Flore-Tochter spritzte bei ihrem 103. Auftritt ganz außen an Délia du Pommereux zu Bronze und ist nun 2.110.281 Euro reich.
Uza Josselyn und Bahia Quesnot, mit der sich Vater Stéphane Guelpa bereits vorab einen Traum erfüllt hatte, mit seinen 60 Jahren noch einmal in einem Klassiker präsent zu sein - sonst saß bekanntlich stets der 28 Jahre jüngere „Junior“ im Sulky der unter ihrer Regie seit Dezember 2018 mächtig erblühten Scipion du Goutier-Tochter - schnappten sich das Kleingeld.
„Ich hatte ein wenig Bedenken, der dem extrem harte Prix d’Amérique könne ihm den Nerv gezogen haben. Aber zehn Tage später bei der ersten Arbeit zeigte er sich bestens erholt und war gespannt wie ein Flitzbogen. Im Heat hat er meine Trainingseindrücke vollauf bestätigt. Auf der Sprintdistanz gehört er für mich zum Besten, was Europa zu bieten hat“, resümierte Gocciadoro nach seinem ersten klassischen Erfolg in Frankreich. Solvallas am leeren Ort weilender Sportchef hörte diese Nachtigall trapsen - und zack hatten die Herren Gocciadoro und Somma eines der rosa Kärtchen in der Hand, das die Einladung zum Elitloppet bedeutet. „Kann er diese Verfassung halten, ist er ein ernsthafter Anwärter auf den Elitloppet-Thron“, war Anders Malmrots Statement, „beeindruckend, wie er mit der Zugwatte in den Ohren ganz locker voraus war!“
Sehr zufrieden war desgleichen Franck Ouvrie: „Nach dem gewollt bedächtigen Beginn hatten wir etwas Pech, dass uns die Lokomotiven in der Außenspur abhanden gekommen sind. Er hat trotz der Nase im Wind einen tollen Parcours hingelegt und war bis zum Schluss bestens motiviert. Wir können stolz auf ihn sein.“
63. Grand Critérium de Vitesse de la Côte d’Azur (Gruppe I int., vier- bis elfj. Hengste & Stuten)
1609m Autostart, 170.000 Euro
1. Vivid Wise As 09,7 Alessandro Gocciadoro 28
6j.br. Hengst von Yankee Glide a.d. Temple Blue Chip von Cantab Hall
Be / Zü: Scud. Bivans; Tr: Alessandro Gocciadoro
2. Earl Simon 3. Billie de Montfort 4. Délia du Pommereux 5. Looking Superb 6. Uza Josselyn 7. Bahia Quesnot 8. Sonia 9. Valko Jenilat 10. Catherine’s Chevi Dijon |
09,9 Franck Ouvrie 10,0 Gabriele Gelormini 10,2 Franck Nivard 10,5 Jean-Michel Bazire 10,5 Pierre Vercruysse 10,7 Stéphane Guelpa 10,9 Rene’ Legati 10,9 Paul-Philippe Ploquin 11,8 Yannick-Alain Briand dis.r. Romain Derieux |
55 130 55 74 200 290 680 950 1330 68 |
Sieg: 28; Richter: leicht 1¼ - 1½ - 1¼ - 2½ - Hals - 2 Längen; 11 liefen
Wert: 76.500 - 42.500 - 23.800 - 13.600 - 8.500 - 3.400 - 1.700 Euro
Das Quinté-Rennen des Tages, der Prix de Rome-Tor die Valle, der an die ehemalige, längst abgewickelte Trabrennbahn Roms erinnert und sich an internationale Sieben- bis Elfjährige richtete, die keine 375.000 Euro gewonnen hatten, ging auf die Kappe des einzigen Ausländers. Angle of Attack unterstrich einmal mehr, wie viel lieber er auf den weiten Bahnen Frankreichs als auf den engen Kursen seiner schwedischen Heimat unterwegs ist. Über 2925 Meter machte ihm Dominik Locqueneux zwar von Beginn an gewaltig Beine und übernahm früh das Kommando, trat es jedoch ebenso rasch an Créature Castelets ab. Die wiederum reichte den Staffelstab nach 1000 Metern an Christo weiter, und weil außen Favorit Carioca de Lou mit einer ganzen Corona im Schlepptau aufzog, wurde es für den Scarlet-Knight-Sohn innen immer brenzliger. Der Fehler Carioca de Lous in der letzten Biege war der Befreiungsschlag für den Bergh-Schützling, der nun allen Platz der Welt hatte. Sicher um eine Länge gab er Christo das Nachsehen, feierte in 1:13,8 den vierten Frankreich-Sieg aus lediglich zehn Versuchen und schnappte sich 19.800 der ausgelobten 44.000 Euro. Seine Fans belohnte der Bergh-Schützling mit 5,1-fachen Sieg-Odds.