Hauen und Stechen um die letzten Amérique-Karten

Vincennes, Sonntag, 14. Januar 2024. Nach zahlreichen Absagen undurchsichtig wie selten zuvor war der Prix de Belgique, die letzte Möglichkeit für die etwas Ärmeren, an eine Eintrittskarte für den in 14 Tagen anstehenden Prix d’Amérique zu gelangen.
So offen wie auf dem Papier ging’s in einem furiosen Finish, das nichts für Herzkranke war und in dem den Ersten vom Vierten gerade mal ein „Hals“ trennte, zur Sache. Begraben musste Jean-Michel Bazire die Hoffnung, Ganay de Banville auf den letzten Drücker zu qualifizieren; mit 577.390 Euro dürfte der Jasmin-de-Flore-Sohn durch die Roste fallen.
Desgleichen scheiterte der mittlerweile bei Alessandro Gocciadoro gelandete Beads wie 2023 unter „JMBs“ Fuchtel, der ihn dafür zum Sieg im Prix du Luxembourg gesteuert hatte. Ein Wechsel, den Italiens Champion sicherlich sofort unterschreiben würde.
Nach zwei abgebrochenen Startversuchen lagen beim gültigen „Ab“ die Nerven bei Great Skills blank, die keine Gefühle fürs Traben hegte, auf der Stelle sprang und das 2.850-Meter-Match mit verheerendem Rückstand als Trainingseinheit nutzte. Das bessere Ende der Fahnenstange erwischte Hail Mary, dem Eric Raffin von ganz außen höllisch schnelle Beine machte und ihn in Windeseile an Moni Viking, Cokstile und Idéal Ligneries vorbei ins Kommando klemmte.
Kaum hatte Idéal Ligneries mit einem Kraftakt zu Beginn des Joinviller Bogens die Tête erobert, flogen die außen aktiven Beads und Italiano Vero im Galopp weg, so dass Izoard Védaquais die äußere Riege vor der unverwüstlichen, ihren 106. Start absolvierenden Délia du Pommereux, Ganay de Banville und Hokkaido Jiel anführte. Benjamin Rochard machte das Beste aus der misslichen Lage und scheuchte den besten der drei Allaireschen Musketiere resolut nach vorn, womit Délia der äußere Fahrtwind um die braune Nase pfiff.
Pierre-Yves Verva wartete händeringend auf einen Windbrecher, der in Gestalt von Ganay de Banville zügig kam und Hokkaido Jiel mitbrachte. Die große Welle rauschte indes auf dem dritten Gleis heran: Hussard du Landret, mit dem Yoann Lebourgeois die dritte Phase des Kennenlernen deutlich offensiver anging als die ersten beiden, hatte Hooker Berry, Inmarosa und Go On Boy am Hacken. 200 Meter vorm Ziel musste „JMB“ erkennen, dass diese Kaliber für Ganay de Banville eine Nummer zu groß waren.
Doch auch Izoard Védaquais, der mit rund zwei Längen Vorsprung auf die Zielgerade bog und hinter dem Benjamin Rochard im Stil von Meistern wie Johannes Frömming und Örjan Kihlström mit Augenmaß seelenruhig saß, musste sich gegen den äußeren Flügel strecken: Höchste Zeit, dass für den bereits Qualifizierten der Pfosten kam. Konnte man den „Kopf“-Vorsprung, mit dem der Sechsjährige, wie Idao de Tillarrd etwas später, dafür umso effektiver in den Gruppe-Reigen seiner Generation berufen, Sieg Nummer 17 einnickte, gerade so mit bloßem Auge ausmachen, musste der Zielrichter für die Plätze zwei bis vier das Foto zu Rate ziehen.
Verhältnismäßig rasch wurde Hussard du Landret als Vierter identifiziert; keine Differenz offenbarte die Technik zwischen Inmarosa in dritter und dem noch später in vierter Linie gebrachten Go On Boy. Beide teilten sich schiedlich-friedlich Platz zwei und drei, womit die Abrivard-Stute mit 638.390 Euro sowie der 2023er Elitloppet-, UET-Masters- und Gran-Premio-delle-Nazioni-Zweite mit 988.570 Euro zum illustren Starterfeld von „La Belle“ zählen werden.
Wacker hielt sich Hail Mary als bestes der vier Nordlichter, während die Millionäre Moni Viking, Cokstile, Délia du Pommereux und Hohneck durchweg blass blieben und nur ihre noblen Namen spazierenfuhren. Auch der erneut konsequent verdeckt vorgetragene Amérique-Titelverteidiger Hooker Berry überzeugte, rundum mit Eisen versehen, nicht sonderlich in dem Match, in dem mit blanken 1:13 der 1:12,0-Rennrekord Davidson du Ponts aus dem Jahr 2021 klar verfehlt wurde und auch Feydeau Seven (2022; 1:12,4) und Bélina Josselyn (2020; 1:12,6) die letzte Pflicht vor der monströsen Kür eine ganze Ecke zügiger auf ihre Kappe gebracht hatten.
„Ein Klassepferd - da gibt’s nichts zu meckern“, strahlte Rochard, „seine einzige kleine Schwäche: Er kommt etwas langsam in Gang. Am Schluss hab‘ ich mir den Luxus geleistet, die Ohrenwatte drin zu lassen. Bei einer Niederlage hätte mir das wohl einige böse Worte eingebracht… In dem Tempo hätte er noch 500 Meter durchgehalten. Wir kommen im ‚Amérique‘ vielleicht nicht aufs Podest, aber den Prix de Paris sollten wir gewinnen!“
„Er scheint zwei Herzen und drei Lungen zu haben“, bestätigte Philippe Allaire, „aber ein bisschen flüssiger könnte er schon starten. Benjamin schien sich sehr sicher zu sein, dass er die Ohrenwatte nicht gezogen hat. Umso besser - so haben wir etwas mehr Munition für das Rennen der Rennen. Änderungen für den ‚Amérique“ wird es nicht geben. Er wird wie heute vorn mit 30 Gramm leichten Scheiben und hinten barfuß gehen.“
Freudestrahlend sprudelte es aus Léo Abrivard heraus: „Was für ein Sprint von Inmarosa! Sie war perfekt, und natürlich werden wir im ‚Amérique‘ dabei sein. Mit ein wenig Glück können wir dort vielleicht Platz fünf ergattern, damit wär ich hochzufrieden.“
„Genau das wollte ich von Hail Mary sehen“, zeigte sich selbst Daniel Redén zufrieden, „er bekam den Start perfekt hin und war deutlich frischer als beim Vincennes-Debüt im ‚Bourgogne‘. Ich denke nicht, dass er müde war. Wenn’s mit der Gewinnsumme für den ‚Amérique‘ nicht reichen sollte, gehen wird auf jeden Fall in den Prix de France.“
Prix de Belgique (Gruppe II int., vier- bis elfj. Hengste und Stuten)
2850m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Izoard Védaquais 13,0 Benjamin Rochard 33
6j. Rapphengst von Bird Parker a.d. Dokha Védaquaise von Prodigious
Be / Tr: Philippe Allaire; Zü: Jean-Pierre Guay
2. Inmarosa 13,0 Léo Abrivard 82
2. Go On Boy 13,0 Romain Derieux 65
4. Hussard du Landret 13,0 Yoann Lebourgeois 180
5. Ganay de Banville 13,1 Jean-Michel Bazire 70
6. Hail Mary 13,2 Eric Raffin 250
7. Hokkaido Jiel 13,2 David Thomain 200
8. Hooker Berry 13,2 Nicolas Bazire 360
9. Sayonara 13,3 Alexis Collette 1000
10. Idéal Ligneries 13,4 François Lagadeuc 130
11. Moni Viking 13,5 Björn Goop 710
12. Cokstile 13,6 Franck Ouvrie 1470
13. Hohneck 14,1 Gabriele Gelormini 180
14. Délia du Pommereux 14,8 Pierre-Yves Verva 1140
15. Great Skills 21,9g Daniel Wäjersten 140
Italiano Vero dis.r. Mathieu Mottier 207
Fakir du Lorault dis.r. Franck Nivard 1090
Beads dis.r. Alessandro Gocciadoro 630
Sieg: 33; Richter: Kampf Kopf - totes Rennen - k.Kopf - 2 - 1¼ ; 18 liefen
Zw-Zeiten: 13,5/1350m - 13,3/1850m - 13,3/2350m
Wert: 54.000 - 23.400 - 23.400 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-01-14/7500/4
Nach der letzten Vorprüfung sind folgende 12 Pferdefür den Prix d‘Amérique 2024 sportlich qualifiziert (chronologische Reihenfolge):
Hussard du Landret - Hooker Berry - Hokkaido Jiel (Prix de Bretagne)
San Moteur - Izoard Védaquais - Gu d‘Héripré (Prix du Bourbonnais)
Emeraude de Bais - Ampia Mede SM (Prix de Bourgogne)
Jushua Tree (Critérium Continental)
Idao de Tillard (Prix Ténor de Baune)
Inmarosa - Go On Boy (Prix de Belgique)
Definitiv nicht am Prix d’Amérique teilnehmen wird San Moteur, der mit einem Griffelbeinbruch ausfällt. Für Jushua Tree hat Jean-Michel Bazire stets betont, er werde den braunen Himmelsstürmer tags zuvor im Prix Bold Eagle starten. Bleibt‘s dabei, sind acht Startplätze offen, die nach Gewinnsumme vergeben werden.
Favoriten unter sich
Das bei Quoten von 21 und 26:10 erwartete Duell im von 2.175 auf 2.700 Meter „verlängerten“ Prix Djérid, einem Monté für ältere Europäer, nutzten Camille Levesque und Filwell zur umgehenden Wiedergutmachung. Vor einem Monat war das ansonsten wie geschmiert funktionierende Dream-Team im Prix Auguste François schwer aus dem Tritt gekommen und hatte nach drei zweiten und zwei ersten Plätzen die rote Karte gesehen.
Mademoiselle Levesque überließ der im Gegensatz zu Fulton wieselflink in die Hufe gekommenen Edition Géma bis zum erstmaligen Passieren des Zielschilds das Sagen, setzte sich dann selbst auf die Kommandobrücke und räumte sie anstandslos, als im Bogen von Joinville Homer de Fromentel darum bettelte. Hinter dem Rappwallach lief’s wie am Schnürchen für die 35-jährige, als bergauf Gaëlle Godard das Wasser nicht halten konnte und Edition Géma auf Attacke polte, wogegen Inès des Rioults nicht zum ersten Mal im Galopp ausfiel.
Edition Géma hatte sich allerdings gründlich verhoben und begann 400 Meter vorm Ziel die Segel zu streichen, so dass Filwell bis zum letzten Point im Windschatten bleiben konnte. Auf den finalen 200 Metern erwies sich der Familientraber der Levesque - Vater Pierre ist in Personalunion Züchter, Besitzer und Trainer - als den entscheidenden Tick stärker, ohne dass sich Camille sonderlich rühren musste. Im Ziel war der Qwerty-Sohn für den 19. Volltreffer Homer de Fromnetel um einen „Hals“ über und baute sein Guthaben auf 589.060 Euro aus.
Sechs Längen hinter diesem Duo bewies Fulton einmal mehr, dass lange Wege nicht sein Ding sind. Der sich innen durchschummelnde Bazire-Schützling wurde mit dem letzten Schritt fürs dritte Geld von Django du Bocage erwischt, der bei seinem 108. Start mal wieder ein Lebenszeichen von sich gab.
„Das ist der Verlauf, aus dem die Träume sind“, lachte Camille Levesque, „Filwell ist am Start viel besser als sonst in die Hufe gekommen, und ich hätte mir keinen besseren Vordermann wünschen können. Als ich sah, wie Christopher im letzten Bogen die Ohrenkapuze zog, fühlte ich mich noch besser. Mein Pferd verlor zwar etwas Spannung, als er vorn war, hielt aber bis zum Ende durch. Ich denke, er, Homer und Granit Méslois sind die derzeit besten Wallache im Monté-Sport. Eine Neuauflage am Amérique-Tag im Prix Jacques Andrieu wird’s jedoch nicht geben - da hätte Filwell 25 Meter gegen diese Beiden wettzumachen. Wir warten auf den Februar.“
Homers Ausbilder Damien Lecroq nahm die Niederlage nicht tragisch: „So ist’s nun mal - wir sind klassisch von einem ‚Heckenschützen‘ abgeschossen worden. Dennoch hat Homer toll durchgezogen und bewiesen, dass er gegen diese Garnitur bequem mithalten kann. Unser eigentliches Ziel ist der Prix Jacques Andrieu.“
Prix Djérid - Monté - (Gruppe III int., Sechs- bis Elfj., keine 675.000 Euro)
2700m Bänderstart o.Z., 90.000 Euro
1. Filwell 13,0 Camille Levesque 21
9j.br. Wallach von Qwerty a.d. Régence von Insert Gédé
Be / Zü / Tr: Pierre Levesque
2. Homer de Fromentel 13,1 Christopher Corbineau 26
3. Django du Bocage 13,5 Pierre-Yves Verva 430
4. Fulton 13,5 Damien Bonne 150
5. Figaro de Larré 13,8 Benjamin Rochard 130
6. Edition Géma 13,8 Gaëlle Godard 310
7. Fakir de l‘Ecluse 14,3 Eric Raffin 240
8. Esperanzo 14,4 Mathieu Mottier 240
Inès des Rioults dis.r. Florian Desmigneux 170
Sieg: 21; Richter: sicher Hals - 6 - k.Kopf - 3½ - Hals; 9 liefen
Zw-Zeiten: 14,6/1200m - Zng/1700m - Zng/2200m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/courses/2024-01-14/7500/7
Alex Abrivard erfolgreich operiert
Am Sonntagvormittag wurde der „Etrier d’Or” vom chirurgischen Orthopäden in einer Pariser Klinik operiert. „Die OP ist gut verlaufen. Die Pause wird natürlich lang sein, doch alles ist relativ“, berichtete Vater Laurent-Claude am Nachmittag, den er in Vincennes verbrachte, der Fachzeitschrift ParisTurf - und konnte sich über den mit der Qualifikation für den Prix d’Amérique verbundenen Ehrenplatz Inmarosas mit seinem Sohn Léo als kleines Trostpflaster freuen.