Etonnants erstaunlicher Rennrekord
Caen, Mittwoch, 19. Mai 2021. Gleich zweifach konnte sich der Veranstalter in der alten Hauptstadt der Normandie die Hände reiben. Im Vorjahr war der Total-Lockdown für Frankreichs Pferderennbahnen kurz zuvor aufgehoben worden, so dass das Hippodrome de la Prairie wie jedes Jahr am Mittwoch in der Mitte des Wonnemonats Mai den bedeutendsten Renntag der gesamten Saison hatte veranstalten dürfen.
Durch die zweite und dritte Welle war man zwar überall durchgetrabt und -galoppiert, jedoch vor leeren Rängen. Das ist seit Montag Geschichte: Je nach Region dürfen bei Pferderennveranstaltungen bis zu 1.000 Personen dabei sein, was für Caen bedeutete, neben 500 Personen, die für den reibungslosen Rennbetrieb vonnöten waren, eben auch 500 Zuschauer zulassen zu dürfen, die bei strahlend blauem Himmel und 15 Grad wenigstens ein wenig Flair auf den mit 1.954 Metern längsten Rechtskurs der Republik zauberten.
Zum Zweiten wollte im Prix des Ducs de Normandie, in dessen Siegerliste sich 2009 mit Unforgettable ein Deutscher „unvergesslich“ verewigt hat, Jean-Michel Bazire seine beeindruckende Serie fortsetzen: Seit 1999 22 Mal in Folge war der 20-fache Sulky d’Or dabei und hatte mit je sechs ersten und zweiten Plätzen eine brillante Bilanz vorzuweisen, die er liebend gern fortführen wollte.
Eines allerdings war schon vorab klar: Dorgos de Guez, der Erwählte seines Trios, würde auf keinen Fall elf Tage später in den Elitloppet gehen, wie das noch 2019 bei Aubrion du Gers der Fall gewesen war.
In Anbetracht der kleinlichen Fahrstrafen, die sich Eric Raffin im Paralympiatravet von Åby für seinen Siegjubel hinter Délia du Pommereux und Robert Bergh fürs hauchdünn mit Hail Mary verlorene epische Finish gegen Don Fanucci Zet eine Woche später in Umeå eingehandelt hatten, verspürte „JMB“ keine Lust, den Fuchs mit der gewaltigen Blesse nach Schweden zu schicken, womit Solvalla ein weiterer Anreißer für die inoffizielle Sprinter-WM am 30. Mai von der Fahne gegangen war.
Nach dem heutigen Auftritt hätte auch wenig für den 31-fachen Sieger gesprochen, es über die Meile, die ohnehin nicht seine Leib- und Magendistanz ist, gegen Nordeuropas Sprintelite zu versuchen, denn die Korrektur des unerklärlich krassen Versagens vor zehn Tagen im Prix Kerjacques gelang nur halb - und auch das nicht überzeugend.
Umso besser machte es seine Lokomotive Davidson du Pont, der an jenem 9. Mai die Gunst der Stunde genutzt, mit Nicolas Bazire überraschend zugeschlagen und seinerseits die fünf blutleeren oder vergaloppierten Ausfälle nach dem Prix-d’Amérique-Ehrenplatz gründlich korrigiert hatte. Wiederum mit dem Junior liiert, wartete der vierfache Gruppe-I-Sieger hinter der mal wieder durch die Todesspur gescheuchten Chica de Joudes und Ce Bello Romain auf die unendlich lange Zielgerade, um unter Nicolas‘ kräftigen Hilfen Gespann um Gespann rechts liegen zu lassen.
Chica de Joudes sprang unter Druck zu Beginn des Einlaufs, der an zweiter Position innen perfekt liegende Bugsy Malone wenige Meter später. Allein ein überragender Etonnant war nicht mehr zu packen, mit dem Richard Westerink die Wetter gefoppt zu haben schien. „Die Meile auf dem Rechtskurs von Argentan sollte ihm bestens liegen“, hatte der durch Timoko berühmt gewordene Exil-Holländer nach Platz zwei im Prix de l’Atlantique von Enghien verlauten lassen - und die „turfistes“ auf eine falsche Fährte gelockt.
An jenem 2. Mai war der Siebenjährige, der auch unterm Sattel Vorzügliches geleistet hat, überhaupt nicht in Gang, nie in vordere Gefilde gekommen und als ausdruckloser Sechster geendet. Diesmal war der Timoko-Sohn mit dem ersten Schritt „spitz wie Lumpi“. Anthony Barrier drückte unerbittlich, bis er in Front war, und ließ sich das Kommando dann keinen Meter madig machen.
Auch der „ewige Einlauf“ zeigte für ihn keine Schrecken. Fast spielerisch leicht kreuzte er drei Längen vor der genasführten Konkurrenz die Linie zum 14. Sieg aus 59 Versuchen, der sein Konto auf 914.400 Euro streckte.
So sehr sich Bazire senior auch ins Zeug legte, biss sich Dorgos de Guez selbst für Platz drei um eine halbe Länge an „Mr. Zuverlässig“ Ce Bello Romain den Kampfzahn aus und muss auf den Millionär-Status noch ein wenig warten: Genau 983.730 Euro prangen auf dem Sparbuch des Fuchses, der auf dem Weg zum besten aktiven Traberwallach Europas das nächste kleine Stoppzeichen sah.
Nicht unterbuttern ließ sich Elvis du Vallon, der eine knappe Länge dahinter Rang fünf vor Bazires dritter Waffe Valokaja Hindö holte, so dass sämtliche drei Musketiere von Frankreichs Trainerchampion etwas zur Ernährungslage beitrugen.
Der im Gegensatz zu Argentan rundum ohne Eisen losgeschickte Etonnant verbesserte den vier Jahre alten Rennrekord Amiral Sachas um eine Zehntelsekunde auf 1:10,4. „Ein Pferd mit einem irren Motor - das hab ich schon recht früh gemerkt!“ war Richard Westerink begeistert, „ich dachte, nach Timoko hätte ich nie wieder einen Trotter solchen Kalibers, doch Etonnant wird immer besser. Mir scheint, er ist im letzten halben Jahr erwachsen geworden. Anthony hatte einen Freibrief, zu fahren wie er wollte. Doch am stärksten ist er frei vorneweg - und das Beste könnte noch kommen“… vielleicht ein Auftritt im Eliloppet.
Westerink hat an Stockholm dank Timokos Doppelschlag beste Erinnerungen, und nach Aubrion du Gers wagte sich 2020 auch Earl Simon als frisch gekrönter normannischer Graf nach Solvalla. Allerdings: „Kurzstrecken und 1.000-Meter-Bahnen sind eher nicht sein Ding“, hat der Übungsleiter schon mal dezent abgewiegelt. Für Barrier war er „heute einfach genial, lag über den gesamten Weg perfekt in der Hand und marschierte ohne die kleinste Schwäche. Ein Traum zu fahren.“
Prix des Ducs de Normandie (Gruppe II int., Vier- bis Zehnj.)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 130.000 Euro
1. Etonnant 10,4 Anthony Barrier 46
7j.br. Hengst von Timoko a.d. Migraine von Alligator
Be / Tr: Richard Westerink; Zü: Christian Guy Vigier
2. Davidson du Pont 10,7 Nicolas Bazire 54
3. Ce Bello Romain 10,8 Mathieu Mottier 63
4. Dorgos de Guez 10,9 Jean-Michel Bazire 33
5. Elvis du Vallon 10,9 David Thomain 150
6. Valokaja Hindö 11,1 Romain Congard 460
7. Dreammoko 11,1 Antoine Lhérété 1220
8. Beau Gamin 12,9 Eric Raffin 340
9. Blues d’Ourville 13,8 Pierre Houel 1320
10. Bad Julry 14,1 Julien Travers 1540
Dollar Soyer dis.r. Jérémy-Gaston van Eeckhaute 1640
Chica de Joudes dis.r. Alain Laurent 160
Bugsy Malone dis.r. Franck Nivard 85
Sieg: 46; Richter: leicht 3 - 2 - ½ - ¾ - 2½ - Hals - 23 Längen; 13 liefen
Wert: 58.500 - 32.500 - 18.200 - 10.400 - 6.500 - 2.600 - 1.300 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-05-19/1400/1
Philippe Allaires Doppelschlag
Spektakulär lief das Saint-Léger des Trotteurs, das erste Gruppe-I-Rennen für die dreijährigen Satteltraber, vor allem für Philippe Allaire und Christopher Corbineau. Während für den 61-jährigen Erfolgscoach Siege auf diesem Niveau fast schon das tägliche Brot sind, durfte sich sein junger Angestellter erstmals mit klassischem Lorbeer bekränzen.
Auch er tat dies nicht unter einem neuen Rennrekord, den er mit Ici C’est Paris, der Nachfolger solch späterer Größen wie der alten Rekordhalterin Surabaya Jiel (2009 / 1:13,4), Jardy 2000, Bird Parker 2014 , Fado du Chêne 2018 wurde, auf 1:13,3 schraubte.
„Ich denke, er ist aktuell der Primus dieser Monté-Generation. Der jüngste vierte Platz ging allein auf meine Kappe, weil ich zu Beginn zu vorsichtig losgeritten bin. Heute hab ich mehr riskiert, und es hat sich voll ausgezahlt. Ich hatte gehofft, es würde sehr zügig zur Sache gehen. Ein Traum hat sich erfüllt, überhaupt in solch einem Rennen reiten zu dürfen, und geradezu unwirklich fühlt es sich an, auch zu gewinnen“, strahlte der 29-jährige, der hier vor einem Jahr im Prix Henri Ballière dank Guide moi Forgan den ersten seiner vier Kategorie-II-Treffer gesetzt hatte.
Kam zunächst Allaires erste Waffe Inouï Danica im Getümmel der 16 Zentauren am schwungvollsten in die Hufe, so ließen Ende der Startgeraden der prächtig aussehende Ibra du Loisir aus dem Erfolgsstall Laurent-Claude Abrivards und im ersten Bogen Isildur Paulois noch ein bisschen kräftiger die Muskeln spielen, womit Ici C’est Paris der kraftraubende Part durch die Todesspur anheimfiel. Im breiten Kreuz des Dollar-Macker-Sohnes bauten sich I Love You und Idéal d’Avenir auf.
Unermüdlich machte Isildur Paulois Betrieb, doch sollte dem Fuchs mit der langen Blesse und der frechen Schnippe auch beim vierten Versuch auf Gruppe-Level ein voller Erfolg versagt bleiben. Trotz des weitaus anspruchsvolleren Verlaufs steckte Ici C’est Paris keinen Augenblick zurück, sondern machte im Einlauf ein rechtes Fass auf und verabschiedete sich mit Hurra auf drei Längen zum sechsten Sieg aus lediglich neun Versuchen, mit dem sein Konto auf 181.660 Euro schnellte.
Selbst „Silber“ ging dem von Scipion du Goutier gezeugten Tempomacher flöten. Einen „Hals” stärker war Inouï Danica und setzte dem überaus gelungenen Nachmittag des Monsieur Allaire das I-Tüpfelchen auf. Dass Camille Levesque trotz ihrer wenigen Einsätze nichts verlernt hat, bewies sie beim höchst umsichtigen, weil defensiven Ritt mit Idéal l’Avenir, den der Sévérino-Sprössling mit wackerem Durchzug zu Platz vier dankte - vor I Love You, die die Ehre des schwachen Geschlechts am nachhaltigsten zu verteidigen wusste.
Saint-Léger des Trotteurs - Monté - (Gruppe I nat., dreij. Hengste und Stuten)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Ici C’est Paris 13,3 Christopher Corbineau 58
3j.dklbr. Hengst von Dollar Macker a.d. Blue Valentine von Ready Cash
Be / Zü / Tr: Philippe Allaire
2. Inouï Danica 13,6 Eric Raffin 30
3. Isildur Paulois 13,6 Jean-Yann Ricart 340
4. Idéal d’Avenir 13,9 Camille Levesque 230
5. I Love You 14,2 Mathieu Mottier 38
6. Iakim 14,8 Clément Frécelle 1220
7. India de Banville 15,2 François Lagadeuc 780
8. Iron Meslois 18,8 Anthony Barrier 370
9. Inès Fligny 20,4 Alexis Collette 1540
10. Ibra du Loisir 21,0 Alexandre Abrivard 100
11. Iléa d’Iraty 21,6 Yoann Lebourgeois 400
Inès des Rioults dis.r. Florian Desmigneux 1400
Ironie du Guelier dis.r. Matthieu Abrivard 450
Iron Jet dis.r. Adrien Lamy 110
Iëna Dodville dis.r. Paul-Philippe Ploquin 540
Is a Dream Louise dis.r. David Thomain 240
Sieg: 58; Richter: leicht 3½ - Hals - 4 - 3½ - 8½ - 5½ Längen; 16 liefen
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-05-19/1400/6
Außenseiter wird zum Heros
Ein echtes Rätselraten für die Wetter war der Prix Henri Ballière der vierjährigen Satteltraber. Sportlich stach Helitlopet heraus, der jedoch dreimal in Folge kein Bein im richtigen Takt auf die Erde bekommen hatte und diese rote Serie weiterspann.
Mehr aus der Not geboren wurde die enorm Gruppe-erfahrene, jedoch erstmals unterm Sattel ausprobierte Havanaise aus dem Dutzend zur Favoritin gekürt - und scheiterte genau so kläglich wie Hegate Love, die beim vierten und endlich gültigen Startversuch wie Hudson Védaquais beschwerlich in die Hufe kam und enorm an Boden verlor. Nicht lange fackelte wie gewohnt Yoann Lebourgeois, der Anthony Barriers Anschauungsunterricht 90 Minuten zuvor mit Etonnant nicht gebraucht hätte, wie man ein Ding vorneweg nach Hause schaukelt.
Schließlich ist der 35-jährige seit Jahr und Tag als unerbittlicher Marschall Vorwärts gefürchtet, soweit die Pferde mitspielen. Und dieser Héros de Fleur spielte überraschend lange die erste Geige, nachdem er Hope on Victory, der Hera Landia und Hytte du Terroir auf den Fersen waren, im ersten Bogen die Führung abgeknöpft hatte. Außen biss Hopla des Louanges, die vor einem Jahr an Ort und Stelle mit dem Triumph im Saint Léger ihren größten Coup gelandet hatte, dem enttäuschend wenig folgen sollte, auf Granit.
Ihr folgten Hytte du Terroir, die Mitte der Zielgeraden Platzchancen im Galopp wegwarf, Hispanien, Historiola und Hirondelle du Rib. Auf einen Schwächeanfall des Leaders wartete die Konkurrenz lange vergeblich, der, nachdem Hope on Victory immer staksiger lief und ausgehängt wurde, einsam seines Weges zum unerwarteten fünften Sieg zu ackern schien.
Gut, dass ihn Lebourgeois nicht vom Gebiss ließ, denn plötzlich schien sich Hopla des Louanges jenes goldenen 13. Mai 2020 zu erinnern und kam mit dem zweiten Wind angerauscht. Es reichte gerade so für den Sohn des einstigen Sattel-Heros Ludo de Castelle, der seinen Anhängern 16-fache Sieg-Odds bescherte und Besitzer und Trainer Frédéric Prat ordentlich die Kasse füllte. Hirondelle du Rib, die Ärmste des Pulks, präsentierte sich mit feinem Endspurt aus hinteren Regionen wie ein Pferd mit Zukunft.
Der auf Wolke sieben schwebende Frédéric Prat wusste, warum er Lebourgeois verpflichtet hatte: „In Vincennes hat Héros in solchen Rennen stets lange mitgehalten. Auf flachen Bahnen und rechtsrum ist er noch stärker. Mit Yoann hatte ich genau den Richtigen für diese Aufgabe an Bord.“ Der so Gelobte erklärte kurz und bündig: „Ich hatte klare Order, es von vorn zu versuchen. Das ist mir sowieso am liebsten.“
Prix Henri Ballière - Monté - (Gruppe II nat., vierj. Hengste und Stuten)
2450 Meter Bänderstart o.Z., 100.000 Euro
1. Héros de Fleur 12,3 Yoann Lebourgeois 160
4j. Fuchshengst von Ludo de Castelle a.d. Rue Chance Folle von Look de Star
Be / Tr: Frédéric Prat; Zü: Lucien Haize
2. Hopla des Louanges 12,3 Anthony Barrier 310
3. Hirondelle du Rib 12,5 Jean-Loïc Claude Dersoir 160
4. Hispanien 12,6 Eric Raffin 250
5. Héra Landia 12,7 Paul-Philippe Ploquin 320
6. Havanaise 12,9 Damien Bonne 34
7. Hegate Love 17,5g Alexandre Abrivard 70
8. Hudson Védaquais 17,6g Sébastien-Emm. Pasquier 640
Historiola dis.r. Mathieu Mottier 120
Hope on Victory dis.r. Matthieu Abrivard 130
Helitlopet dis.r. Adrien Lamy 37
Hytte du Terroir dis.r. Léo Abrivard 110
Sieg: 160; Richter: Kampf Hals - 2 - 2 - 1 - 3 Längen; 12 liefen (NS Hohneck)
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 - 1.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2021-05-19/1400/4