Ein Schimmel strahlt unter der Mitternachtssonne

(nn) Boden, Samstag, 13. Juni 2020. Es hätte der perfekte Abend für eine gewaltige Mittsommer-Fete sein können: Boden rund 80 Kilometer südlich des Polarkreises bat bei 25 Grad und blitzblankem Himmel zum bedeutendsten Renntag des Jahres - nur leider ohne Zuschauer, womit die sonst übliche Volksfeststimmung beim Midnattstravet Fehlanzeige war.
Das hatte enorme Auswirkungen auf den Rennpreis im 35. Norrbottens Stora Pris, der ohne Sponsoren und Einnahmen aus Vermietung, Verpachtung und Eintrittsgeldern halbiert wurde: Nur 500.000 anstelle der sonst üblichen 1.000.000 Kronen winkten dem Sieger - mit entsprechenden Abzügen der übrigen sechs Prämierten.
An letzter Stelle des nur mehr zwölf Prüfungen umfassenden Menüs angesetzt, zerplatzte um kurz vor 22.00 Uhr auch die letzte Hoffnung der Norrländer, aus der Ferne einen der Ihren als Sieger feiern zu können. Der in Boden bei Petri Salmela stationierte Makethemark begeisterte zwar, wie so oft durch die Todesspur dampfend, mit einem heroischen Fight, scheiterte jedoch an einem der wenigen Schimmel im Trabrennsport, der nach einem Jahr zum Vergessen unter Jörgen Westholms neuer Regie richtig aufgeblüht ist: Antonio Tabac.
Der mütterlicherseits auf den US-amerikanischen, in Europa von Stig Johansson trainierten Braunschimmel Tap In zurückgehende Hengst, in jungen Jahren ebenfalls von Schwedens Trainer-Guru vorbereitet, ohne sonderlich auffällig zu werden, war Mitte 2018 von Oskar Kylin Blom übernommen worden, der ihm mächtig Beine machte. Krönung einer sechsfachen Siegesserie war der Erfolg im Prijs der Giganten am 11. November 2018 zu Wolvega. Der war zugleich das Ende der Fahnenstange, denn in den folgenden zwölf Monaten schrumpfte der Gigant zum Zwerg; es ging nichts mehr.
Erst der neuerliche Wechsel zu Westholm im Januar 2020 brachte den Achtjährigen peu à peu wieder auf Vordermann. Erstes nachhaltiges Zeichen war der 1:09,5-Erfolg am 29. Mai in einem Feld-, Wald- und Wiesenrennen zu Hagmyren mit Mika Forss, was ihn für zwei Tage an die Spitze der schwedischen Jahresschnellsten-Liste katapultierte. Dass das keine Eintagsfliege war, sondern vielleicht der Aufbruch zu neuen, erfolgreichen Ufern, unterstrich der Frontrenner auf Schwedens nördlichster Rennbahn: Der 20. Treffer aus 77 Anläufen katapultierte sein Konto auf 3.251.666 Kronen nach einem Match, das fast wie auf dem Reißbrett vorgezeichnet ablief.
Einzige Überraschung war, dass es noch einer schneller als der mit der „2“ ideal bediente Rappschimmel konnte: Stoletheshow. Der frischgebackene Sieger von Skives Lord Valentines Mindelöb flog von der „4“ los wie eine Rakete, doch war zwischen Rikard Skoglund und Mika Forss im Vorfeld offensichtlich abgesprochen, die Führung abtreten zu wollen. Nach 500 Metern war Antonio Tabac „ohne Blutvergießen“ vorn, und weil Forss fortan eine gleichmäßige Fahrt im 1:11er Bereich vorgab, blieben Positionsverschiebungen lange komplett aus.
Hinter Stoletheshow postierten sich die Außenseiter Esprit Sisu, Zaniah Bi und Unique Juni, etwas nach hinten versetzt schleppte Lokalmatador Makethemark Mindyourvalue W.F., Milliondollarrhyme und Dreammoko durch die zweite Gefechtsreihe. Gebrochen wurde der Waffenstillstand erst 700 Meter vorm Ziel, als Freddie Larsson den Ready-Cash-Sohn in Spur drei lavierte, wo er jedoch nur mühsam vorankam. Der große Moment Mitte des Schlussbogens war ausgangs desselben schon wieder verpufft.
Schien er dort Stoletheshow und Makethemark überrollen und gar Antonio Tabac an die Gurte kommen zu können, so wurde die Zielgerade für den immer wieder hochgelobten und fast genauso oft gestutzten amtierenden Svenskt Mästaren zu einer mühseligen Angelegenheit.
Während Antonio Tabac locker nach Hause stiefelte, Stoletheshow wacker mithielt, der unermüdliche Kämpe Makethemark das Gebiss doch noch mal zwischen die Zähne nahm und sich mit letzter Kraft auf Platz zwei zog, blieb Milliondollarrhyme im engen Hauen und Stechen, in das sich weit außen auch der sonst nicht gerade speedlüsterne Dreammoko gehörig einmischte, um Haaresbreite wenigstens Platz vier - wohl nur deshalb, weil der Rest bis auf den am Start ausgefallenen Hard Times keine freie Passage fand.
Propulsions Resultate gestrichen?
Mit 1:11,1 trabte Antonio Tabac die zweitschnellste je im Stora Pris erzielte Zeit. Eine Marginalie im Rennbericht lässt aufhorchen, nach der dies Bahnrekord für fünfjährige und ältere Hengste und Wallache sein soll. Schneller sackte 2017 Propulsion in 1:10,8 Lorbeerkranz und die damals runde Million Kronen ein. Sollte dies ein erster halboffizieller Hinweis sein, dass dem US-Amerikaner, dessen Name von 2016 bis 2019 auf der Ehrentafel prangt, wegen der Nervenschnitt-Affäre all seine Resultate und Titel aberkannt werden?
„Antonio ist großartig drauf und von einem überaus professionellen Team in diese Verfassung gebracht worden. Es macht als Catchdriver Spaß, ein solch exzellent geformtes Pferd zu fahren. Ich bin hier schon oft gefahren - dies ist das bedeutendste Rennen, das du in Norrbotten gewinnen kannst. Ich bin gespannt, wie sich Antonio weiterentwickelt“, war Forss begeistert.
Seinen Frieden machte Petri Salmela ein wenig zähneknirschend: „Verdammt! Das dritte Mal in Folge muss Makethemark mit dem Ehrenplatz vorliebnehmen. Ein Sieg hier zuhause soll wohl einfach nicht sein. Böse sein kann man ihm nicht - er hat trotz des anspruchsvollen Verlaufs gekämpft wie ein Löwe. Ich hoffe, er ist bald in Top-Form.“
35. Norrbottens Stora Pris - Gulddivisionen - (int.)
2140m Autostart, 965.000 SEK
1. Antonio Tabac 11,1 Mika Forss 39
8j. Rappschimmel-Hengst von Crazed a.d. Race Tabac von Tap In
Be: Tomas Haanpää; Zü: Gerth-Ove Karlsson; Tr: Jörgen Westholm
2. Makethemark 3. Stoletheshow 4. Milliondollarrhyme 5. Dreammoko 6. Esprit Sisu 7. Mindyourvalue W.F. 8. Unique Juni 9. Zaniah Bi Hard Times |
11,3 Ulf Ohlsson 11,3 Rikard Skoglund 11,4 Fredrik Larsson 11,4 Torbjörn Jansson 11,4 Örjan Kihlström 11,4 Robert Bergh 11,4 Jorma Kontio 11,5 Björn Goop dis.r. Jimmy Andersson |
40 272 27 155 192 164 407 143 1002 |
Sieg: 39; Richter: sicher 1½ - Kopf - ¾ - Kopf - Hals - k.Kopf - Hals; 10 liefen
Zw-Zeiten: 10,1/500m - 11,9/1000m - 11,2/1500m - 11,0/letzte 500m
Wert: 500.000 - 250.000 - 100.000 - 50.000 - 25.000 - 15.000 - 15.000 SEK
Einige Wetter dürften aus jener Zeit, in der Schweden wegen der Corona-Krise fast weltweit Alleinunterhalter in Sachen „harness sport“ war, hängengeblieben sein. Auch ohne Jackpot kletterte der V75-Umsatz über die 100-Millionen-Kronen-Hürde, und das wird auch bei der nächsten spannenden Runde am kommenden Sonntag in Kalmar nicht anders sein: Weil es keine Außenseiter-Siege gab, wurde der 3. Rang nicht ausbezahlt - auch Rang 2 erreichte gerade so die Auszahlungsgrenze von 15 Kronen -, so dass beim Renntag rund um den Kalmarsundspokalen bereits 26.134.294 Kronen im Pott sind.
V75-1 (Klass I): V75-2 (Diam-Sto): V75-3 (Klass II): V75-4 (Kallblod): V75-5 (Brons): V75-6 (Silver): V75-7 (Guld): |
Vaduz Wise As / Jorma Kontio Karamel Hill / Björn Goop Jagger Boko / Örjan Kihlström Rubus / Hans Bergh Deep Pockets / Örjan Kihlström Giant Shadow / Björn Goop Antonio Tabac / Mika Forss |
16 35 25 68 28 14 39 |
Umsatz V75: 100.516.514 SEK
1. Rang: 45.732 Systeme à 571 SEK
2. Rang: 15 SEK
3. Rang: Jackpot
Umsatz Top-7 (Brons): 1.689.516 SEK