Doppelt genäht hält besser

Vincennes, Sonntag, 26. Februar 2023. Bei der Revue zum Ehrenplatz seiner Ampia Mede SM im Prix d‘Amérique hatte Franck Nivard mit dem Rennverlauf gehadert - vor allem mit dem „Pauker“, den er einen Kilometer vor dem Ziel von einem Konkurrenten bekommen und der ihn entscheidende Längen auf den souveränen Sieger Hooker Berry gekostet hatte. „Ohne den hätten wir Bazires Fuchs zumindest kräftig zugesetzt.“
Satisfaktion Nummer eins fand 14 Tage später statt, als die Italienerin im Prix de France niemandem den Hauch einer Chance ließ. Nummer zwei ließ die Speedrakete im seit einigen Jahren aus lediglich einem Band gestarteten 4.150-Meter-Marathon des Prix de Paris folgen, dem letzten Lauf der etwas sperrig titulierten Prix Amérique Races Zéturf Séries.
Wie hatte Jean-Michel Bazire (nicht nur) beim letzten Statement kurz vorm „Ab“ verlauten lassen: „Natürlich kann Hooker Berry gewinnen, doch es kommt extrem auf den Verlauf an“, und da sollte die auch von den „turfistes“ als härteste Widersacherin eingeschätzte Ampia Mede SM, die mit 44:10 erst ganz zum Schluss die Favoritenbürde angehängt bekam, diesmal um eine Position im Vorteil sein.
Die Gretchenfrage war, wer den Takt vorgeben sollte. Die beiden fast gleichauf gehandelten Protagonisten kamen dafür eher nicht in Frage, weil sie liebend gern aus der Deckung eingesetzt werden wollen. Hip Hop Haufor, ein bekennender Freund der etwas weiteren Wege, und Hussard du Landret hatten wie so oft „Blei an den Füßen“, als es auf die Bahn ging.
Am schwungvollsten begann Honey Mearas, mit der Björn Goop jedoch keine Avancen hatte, sich über die ultralange Strecke vorn festzusetzen. Er ließ Hohneck vorbei, der den Staffelstab rasch an Harlem de Bucy weiterreichte. Mit dem bei mageren 181.370 Euro mit Abstand ärmsten der 14 Aspiranten, durch vier Vincennes-Siege an der Strippe auf D- bis B-Niveau empfohlen, sah Alex Abrivard selbstredend keine Veranlassung, auf die Tube zu drücken.
Und weil in der Außenspur bis auf einen Zwischenangriff Hussard du Landrets, der dem Sieger des Critérium des 5 Ans nach einer Runde die Todeslage vor Hokkaido Jiel, Flamme du Goutier, Ampia Mede SM und Hooker Berry bescherte, absoluter Waffenstillstand herrschte, durfte der Lilium-Madrik-Sohn die ersten 2½ Kilometer in sehr gemütlichen 1:18,9 abbummeln.
Als es zum zweiten Mal den Berg hinauf ging, machten sich in dritter Spur Fado du Chêne und Hip Hop Haufor bemerkbar, stellten jedoch auch keine echte Gefahr für den Trendsetter dar, dem Abrivard die Kräfte blendend eingeteilt hatte. Bevor er vom zweiten und dritten Zug eingebaut werden konnte, beordert François Lagadeuc Hohneck an der Einmündung der kleinen Bahn nach außen und gab den ersten Angreifer.
Besser als der Schwarzbraune, der erstmals in seiner 47 Starts umfassenden Laufbahn nicht unter den „Big Five“ landete, konnten es einige andere. Doch nur der mit Hooker Berry im Gepäck attackierenden Ampia Mede SM gelang es mit ihrem famosen Kämpferherz, Harlem de Bucy niederzuringen. Am entscheidenden Strich hatte die Braune zum 25. Mal die Nase als Erste vorn - zum 16. Mal in Frankreich für die Herren Billard bzw. Souloy.
Eine Länge zurück erfüllte Hooker Berry die Erwartungen und blieb eine Länge vor Hussard du Landret, womit drei Sechsjährige auf den Plätzen zwei bis vier anschlugen. Den kürzesten Weg nutzte Honey Mearas zu Rang fünf knapp vor Hohneck und bescherte den stolzen, in diesem Pariser Winter extrem unauffällig gebliebenen Schweden ein erkleckliches Trostpflaster.
Ein bisschen wehmütig schauten Souloy, Nivard sowie die Besitzer Ciro Serafino und Raffaele d’Alessandro trotz des zweiten klassischen Sieges der Signorina zurück. „Schade, schade, dass es im Amérique so krass gegen sie gelaufen ist. Vielleicht hätte sie sich sonst nach Gélinotte, Jamin, Bellino II und 2017 Bold Eagle als Fünfte die Triple Couronne (dreifache Krone) aufsetzen können“, fasste ihr Steuermann zusammen, der nach Ready Cash 2013 und Bold Eagle 2017 zum dritten Mal das Pferd mit dem längsten Atem in Händen hatte.
Doch auch so war sie mit Einkünften von 666.100 Euro das Erfolgsmodell dieses Pariser Winters und stach Hooker Berry aus, der sich 576.000 Euro gutschreiben lassen konnte. „Ampia hätte das Triple verdient - sie ist eine grandiose Stute. Beklagen über den Rennverlauf können wir uns nicht. Hip Hop Haufor hat uns bestens bis Mitte der Schlusskurve gezogen. Ihre letzten 1.200 Meter waren famos!“ - und wurden inoffiziell in 1:10,4 gestoppt.
Nun ist erst mal Pause angesagt für die unscheinbare Ganymède-Tochter, die die nächsten großen Frühjahrsspiele ihrer Wahlheimat wie das Critérium de Vitesse zu Cagnes-sur-Mer auslassen und 40 Tage auf der Koppel herumtollen darf.
Eine Präsenz bei den Frühjahrs-Klassikern Skandinaviens wie Copenhagen Cup, Elitloppet und Oslo Grand Prix scheint sowieso ausgeschlossen. Dort ist Fabrice Souloy seit seiner spektakulären Dopingaffäre 2016 um Your Highness, Un Mec d’Héripré und Lionel weiterhin eine „persona non grata“ - inklusive der von ihm vorbereiteten Rösser.
Daumen kerzengerade hoch war Alex Abrivards Resumee für Harlem de Bucy, der, körperlich ein Stockwerk größer als Ampia Mede und Hooker Berry, die Feuertaufe der ersten Gruppe-Prüfung - gleich einer der „haute catégorie“ - mit Glanz und Gloria bestand: „Natürlich ist es eine kleine Überraschung. Doch sie haben ihn zwei Drittel des Wegs sein Ding gemütlich machen lassen, und dann kann er die letzten 1½ Kilometer bewältigen wie jeder andere, weil er die nötige Härte hat."
"Über den ganzen Winter hat er sein Limit mit jedem Start verschoben. Wo es wirklich liegt, wissen wir noch immer nicht.“ Keineswegs unzufrieden war „JMB“, der Vincennes‘ längstes Rennen des Winters bereits sieben Mal gewonnen hat: „Hooker Berry hat das auf die Piste gebracht, was ich von ihm erwartet habe. Am Rennverlauf gibt’s nichts zu meckern. Ich bin stolz auf meinen kleinen Fuchs.“
Wie extrem unterwegs taktiert wurde, beweist ein Blick in die Geschichte. Bis ins Jahr 2008 muss man zurückblättern, um eine langsamere Siegerzeit zu finden. Damals genügten Orla Fun 1:16,2, diesmal war Ampia Mede SM in 1:15,9 daheim - volle 2,6 Sekunden über dem im Vorjahr von Diable de Vauvert auf 1:13,3 gedrückten Rennrekord.
Prix de Paris (Gruppe I int., vier- bis elfj. Hengste und Stuten)
4150m Bänderstart o.Z., 400.000 Euro
1. Ampia Mede SM 15,9 Franck Nivard 44
7j.br. Stute von Ganymède a.d. Polimpia Slide SM von Yankee Slide
Be: Scud. Se.Fin (Ciro Serafino & Raffaele d’Alessandro), IT; Zü: Scud. del Baronetto Srl, IT; Tr: Fabrice Souloy
2. Harlem de Bucy 15,9 Alexandre Abrivard 190
3. Hooker Berry 16,0 Jean-Michel Bazire 46
4. Hussard du Landret 16,1 Benoît Robin 90
5. Honey Mearas 16,1 Björn Goop 260
6. Hohneck 16,1 François Lagadeuc 99
7. Flamme du Goutier 16,2 Théo Duvaldestin 110
8. Hip Hop Haufor 16,4 Christian Bigeon 53
9. Jerry Mom 16,5 Matthieu Abrivard 780
10. Cléa Miquellerie 16,6 Frédéric Heon 1210
11. Fado du Chêne 16,7 Paul-Philippe Ploquin 320
Zarenne Fas dis.r. Nicolas Bazire 370
Fakir de Lorault dis.r. Gabriele Gelormini 560
Hokkaido Jiel dis.r. David Thomain 140
Sieg: 44; Richter: Kampf Hals - 1¼ - 1 - Kopf - ¾ - 2 Längen; 14 liefen
Zw-Zeiten: 18,9/2650m - 17,2/3150m - 16,3/3650m
Wert: 180.000 - 100.000 - 56.000 - 32.000 - 20.000 - 8.000 - 4.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2023-02-26/7500/4
Nummer neun für Inexess Bleu
Ein richtig Guter verspricht Inexess Bleu zu werden, der im Prix de la Mayenne für fünf- und sechsjährige „Europäer“, die keine 285.000 Euro gewonnen hatten, den erstklassigen Trend der Equipe von Laurent-Claude Abrivard fortsetzte und beim sechsten Versuch während des Winter-Meetings zum vierten Mal als Klassenbester anschlug.
Insgesamt war es für den Wallach, der die jüngere Generation bestens vertrat, die neunte Siegerschleife; er machte damit so manch rote Karte vergessen - insgesamt waren es sieben -, die ihm den frühzeitigen Aufstieg vermasselt hatten.
Das Pulver des Dunkelbraunen hielt Alexandre Abrivard lange trocken, obwohl er, nachdem sich Trainingskamerad Haribo du Loisir, seine Lokomotive durch Spur zwei, den Taktstock von Howdy Partner geschnappt hatte, mit Beginn des Anstiegs sich den äußeren Weg selbst bahnen musste. Ärger hatte es He and Me erwischt, den Franck Nivard nach einem kurzen Rumpler ausgangs der Startkurve mit Schmackes durch Spur drei bis an die Spitze hetzte.
600 Meter vorm Pfosten schritt Alex zur Tat. In Windeseile düpierte er Haribo du Loisir, verlor mit Haziella d’Amour eine weitere Boxennachbarin im Galopp und zog kraftvoll auf und davon. Den Spieß vermochte auch Cousin Matthieu Abrivard nicht mehr umzudrehen, der Have a Dream mächtig Beine machte.
Der Dunkelfuchs bestätigte den letzten Auftritt, als er mit eben solch später Wucht die Nase zwar als Erster ins Ziel gesteckt hatte, wegen eines Remplers auf freie Bahn im Nachgang disqualifiziert worden war, in jeder Hinsicht. Auch Horchestro, im vierten Paar außen etwas weit vom vorderen Schuss postiert, kam prima auf Touren und kanzelte Haribo du Loisir um „Bronze“ mit einer Länge ab.
Viel Gesprächsstoff gab’s für Laurent-Claude Abrivard, der sein Lot weiterhin prächtig in Schuss hat: „Inexess Bleu hat sich in diesem Winter mächtig gemausert und ist zum kompletten Pferd gereift, das eher etwas für längere als für kürzere Distanzen übrig hat. Auf diesem Level gegen die ein Jahr Älteren zu gewinnen ist nie einfach. Ich bin gespannt, was die Zukunft bringt."
"Haribo du Loisir hingegen ist nicht mehr der Typ früherer Zeiten, sonst wäre er Dritter geblieben. Haziella hätte ohne ihren Fehler vermutlich einen kleinen Scheck mitgenommen. Ihr fällt es zunehmend schwer. Sie hat mit 242.000 Euro ihre Pflicht getan und wird in die Zucht gehen.“
Nichts am Ehrenplatz zu deuteln gab’s für seinen Neffen Matthieu: „Der Sieger ist ein Spitzenpferd. Have a Dream hatte alles passend und ist toll gesprintet. Mehr als Platz zwei war nicht drin.“
Prix de la Mayenne (Gruppe III int., Fünf- & Sechsj., keine 285.000 Euro; in den letzten 12 Monaten nicht unter den ersten Drei eines Gruppe-I-Rennens)
2700m Bänderstart o.Z., 90.000 Euro
1. Inexess Bleu 13,7 Alexandre Abrivard 25
5j.dklbr. Wallach von Vittel de Brévol a.d. Pearl of Charm von Goetmals Wood
Be / Zü: Michel Gallier; Tr: Laurent-Claude Abrivard
2. Have a Dream 13,9 Matthieu Abrivard 69
3. Horchestro 13,9 David Békaert 90
4. Haribo du Loisir 14,0 Léo Abrivard 100
5. He and Me 14,0g Franck Nivard 48
6. Howdy Partner 14,2 Adrien Lamy 170
7. Impressionist 14,5 Louis Baudron 1030
8. Collier 14,7 Mario Minopoli jr 880
9. Instinct d‘Am 14,9 Gabriele Gelormini 570
10. Hermine Girl 15,7 Yoann Lebourgeois 1090
Haziella d‘Amour dis.r. Jean-Michel Bazire 91
Bolero Gar dis.r. Björn Goop 710
Sieg: 25; Richter: leicht 2 - 1 - 1¼ - k.Kopf - 2½ Längen; 12 liefen
Zw-Zeiten: 16,4/1200m - 14,8/1700m - 14,4/2200m
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2023-02-26/7500/6
Im ebenfalls 90.000 Euro wertvollen Prix Vivier de Montfort, einem Monté der Kategorie A für einheimische Sieben- bis Elfjährige, die keine 450.000 Euro angehäuft hatten, schlug Alex Abrivard noch einmal zu.
Mit dem bei 39:10 knapp zum Favoriten gekürten Fakir de l’Ecluse kanzelte er nach 2.700 Metern den lange den zügigen 1:12er-Takt vorgebenden Figaro de Larré (53) locker um zwei Längen ab. Das war Treffer Nummer 96 im laufenden Meeting, womit die 100 für den wie entfesselt agierenden 29-jährigen in greifbare Nähe rückt.
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2023-02-26/7500/8