Die Favoriten ausgeknockt
(nn) Le Croisé-Laroche, Mittwoch, 18. September 2019. Der ähnlich wie der bekanntere Grand Prix du Sud-Ouest wechselweise über mehrere Bahnen ziehende Grand Prix de la Fédération Régionale du Nord wurde heuer auf dem 1662 Meter weiten Linkskurs mit der ewig währenden Zielgeraden des Hippodrome Serge Charles von Le Croisé-Laroche ausgetragen.
90.000 Euro lockten lediglich acht Interessenten in den Vorort der flandrischen Hauptstadt Lille. Als Publikumsmagnet fungierte Bold Eagle, doch sollte es wiederum nicht zum 46. Treffer des mit 4.686.020 Euro gewinnreichsten aktiven Trabers der Welt reichen, der im Gegensatz zu früheren Zeiten in den letzten Jahren weitaus mehr Niederlagen als Siege kassiert hat.
In einem extrem taktisch geprägten Match sprang im entscheidenden Moment für den lange eingekesselten Ready-Cash-Sohn sein Trainingskamerad Tony Gio in die Bresche, so dass es für Sébastien Guarato trotzdem zum Doppelschlag reichte. Dem Trainer dürfte dies durchaus recht gewesen sein, Pierre Pilarski, dem Sprachrohr von „Boldies“ Besitzergemeinschaft eher weniger. Auf dem dornigen Weg zum gewinnreichsten Traber aller Zeiten kam sein Schützling nur um 22.500 Euro voran; es mangelt, um Timoko vom Thron zu schubsen, noch immer an rund 300.000 Euro, die in dieser Verfassung selbst im reich gedeckten Frankreich nur mit langen Zähnen zu verdienen sind.
Die 2700-Meter-Autostartprüfung war strategisch nicht ganz einfach zu lesen, denn Bold Eagle wie Looking Superb, der trotz der letzten, ernüchternd glatten Niederlage gegen Nobody Clarck Sotho zum Favoriten erkoren wurde, scheuen mittlerweile den Fahrtwind gleich ob in erster oder zweiter Spur. So nahm denn Jean-Michel Bazire, bei dem es in den letzten Wochen längst nicht mehr so galaktisch rund läuft wie über Monate davor, den Norweger an der „8“ sofort zurück und suchte Björn Goop für Bold Eagle, der von der „2“ kein Problem hatte, die Führung zu ergattern, sofort nach einer Ablösung, die sich in Gestalt des nach vielen harten Schlachten vor allem gegen die Bazire-Armada Cleangame/Blé du Gers nicht mehr taufrischen Anzi des Liards nach 500 Metern meldete. Innerer Dritter war der nach der Hälfte der Strecke immer schlapper werdende Abydos du Vivier, der folglich Looking Superb gar nicht helfen konnte und dessen Position bald Tony Gio einnahm.
Nach einem Kilometer spannte sich Bel Avis als Zugpferd für Looking Superb auf Gleis zwei. Schlusslichter waren Express Jet und Altius Fortis, die nach einer Runde nicht mitkamen, als der Braune mit der langen schmalen Blesse brüsk zu einem Zwischenspurt bat, der ihn auf Augenhöhe mit dem Leader führte. Unter Druck setzte Bazire den nicht, sondern war bis zum Erreichen der Zielgeraden einzig darauf erpicht, Bold Eagle gemeinsam mit Bel Avis in der selbst gewählten Falle festzunageln. Einen Stich durch diese Rechnung machte ihnen Eric Raffin, der Tony Gio aus der misslichen Innenlage hinten herum befreit hatte und in dritter Spur zur Attacke schritt. Nun musste auch der „Maestro“ reagieren, was Anzi des Liards vor enorme Probleme stellte und Bold Eagle ermöglichte, zunächst in Spur zwei zu wechseln.
Beim wenig später erfolgreichen Versuch, den Prix-d’Amérique-Zweiten innen zu passieren, kam „Boldie“ dem müden Anzi des Liards mächtig in die Quere, der erheblich an Schwung und dadurch vielleicht sogar Platz drei verlor, was nach deutschen Gepflogenheiten zumindest eine Überprüfung durch die Rennleitung, vielleicht gar eine nachträgliche Zurücksetzung des „Adlers“ zur Folge gehabt hätte. In Frankreich ticken die Uhren bzw. die Gehirne der Herren „Commissaires“ manchmal anders. Weder erfolgte eine „Enquête“ noch eine Bestrafung Goops, der seinen Partner fairerweise umgehend um eine halbe Spur nach außen lancierte. An Tony Gios leichtem Sieg war ohnehin nicht mehr zu rütteln. Dem in Italien geborenen Sprössling der beiden Gruppe-I-Sieger Ready-Cash und Ilaria Jet, den Guarato erst seit Anfang Juni in der Mache hat, gelang nach dem Punkt im Prix Chambon P bereits der zweite Streich in neuer Regie, nachdem er zuvor fast zwei Jahre ohne Ehrenrunde hatte darben müssen.
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2019-09-18/5901/3
Für Looking Superb kam es knüppeldick. Der Orlando-Vici-Sohn, seit Dezember ohne größeren Zwischenstopp auf Achse, ließ sechs Längen zurück jede Frische vermissen, musste Trainingskamerad Bel Avis vor sich dulden und wäre wohl ohne Anzi des Liards‘ empfindlichen Stopp nur Fünfter geworden. „Alles bestens“, strahlte Guarato, „ich habe meinen beiden Fahrern mit auf den Weg gegeben, sie mögen sich innen halten. Der Einlauf ist lang genug, um frei zu kommen. Anzi des Liards war ein toller Hase. Bazires Armada musste weite Wege gehen - das hat bei einem Tempo von 1:10,8 über diesen Monsterweg den Ausschlag gegeben. Wenn er ein verdecktes und wie heute extrem zügiges Rennen hat, ist Tony Gio super und kann sogar im Prix d’Amérique weit vorn mitmischen. Bold Eagle hatte auf ihn zu Beginn der Zielgeraden drei Längen Rückstand und musste erst auf Touren kommen. Da war mehr einfach nicht drin. Auch mit ihm bin ich super zufrieden.“
Grand Prix de la Fédération Régionale du Nord (Gruppe III int., Vier- bis Zehnjährige)
2700m Autostart, 90.000 Euro
1. Tony Gio 10,8 Eric Raffin 78
7j.br. Hengst von Varenne a.d. Ilaria Jet von Pine Chip
Be / Zü: Scud. Bivans, IT; Tr: Sébastien Guarato
2. Bold Eagle 3. Bel Avis 4. Looking Superb 5. Express Jet 6. Anzi des Liards 7. Altius Fortis 8. Abydos du Vivier |
11,0 Björn Goop 11,4 Alexandre Abrivard 11,4 Jean-Michel Bazire 11,5 Pierre Vercruysse 11,6 Romain Derieux 14,9 Philippe Masschaele 17,8 Christophe Martens |
26 190 18 470 260 1100 850 |
Sieg: 78; Richter: leicht 1½ - 6 - Hals - ½ - 1½ Längen; 8 liefen
Wert: 40.500 - 22.500 - 12.600 - 7.200 - 4.500 - 1.800 - 900 Euro