Der falsche Bazire vorn
(nn) Enghien, Dienstag, 13. August 2019. Am vorletzten Tag des Sommermeetings von Enghien - am Mittwoch ist mit einer „alltagssportlichen“ Achter-Karte Schluss bis zum 26. September, denn ab Samstag (17. August) ist nun wieder Vincennes der Wallfahrtsort der „turfistes“ - ließ es die Bahn im Pariser Norden noch mal richtig krachen.
Für (fast) alle Altersklassen gleich welcher Nationalität war etwas dabei, und auch Deutschland bekam vom üppigen Kuchen nicht nur Krümel ab.
Vorzeigerennen des Nachmittags war der mit 130.000 Euro dotierte Prix Jean-Luc Lagardère. Von den lediglich neun Gespannen, die ans große Geld wollten, stellte Frankreichs Trainer-Champion Jean-Michel Bazire allein vier, und doch lief die 2875-Meter-Ausdauerprüfung längst nicht so ab, wie der „Maître“ sich dies vorgestellt hatte. Als brandgefährlichen Rivalen hatte nicht nur er, sondern auch die Mehrzahl der Wetter den Italiener Vitruvio ausgemacht, der in Oslo und Jarlsberg zwei Großkaliber mit durchschlagendem Endspurt aus unmöglicher Position zu seinen Gunsten gedreht hatte. Hatte dafür Jorma Kontio verantwortlich gezeichnet, so nahm diesmal Alessandro Gocciadoro die Leinen in die Hand und machte gleich Nägel mit Köpfen. Mit dem französischen Bänderstart hatten der Fünfjährige und sein mal nicht in Gelb, sondern ins Rosa der Scuderia Pink and Black gekleidete Pilot nicht die geringsten Probleme und preschten wie nix vor Valokaja Hindö, Tessy d’Eté, Cash Gamble, Détroit Castelets, Cleangame, für den sich „JMB“ selbstverständlich entschieden hatte, Bugsy Malone und Bel Avis los.
Den Italiener zu ärgern - dafür hatte Bazire Blé du Gers auserkoren, der auch brav im ersten Bogen Druck zu machen begann, dabei jedoch schwer aus dem Tritt geriet, lange nicht auszuparieren war und folgerichtig am Sünderturm landete. Damit war die ausgeklügelte Taktik perdü und musste Cleangame die „Drecksarbeit“ selbst erledigen. Für die Schlussrunde brach der Ouragan-de-Celland-Sohn den Gänsemarsch auf und bekam in Tessy d’Eté und Détroit Castelets zwei Anhänger, die aus dem Windschatten zuschauten, wie er sich zu Vitruvio vortastete. Hinter dem saß Alex Gocciadoro lange „volle Hände wie ein Major“ - und hatte plötzlich gar nichts mehr zu verkaufen, als der endlose Einlauf anstand: „Mit der Blendkappe war er viel zu hitzig und hat früh viel Pulver verschossen, das am Ende fehlte.“
Leichtfüßig stiefelte Cleangame seinem 27. Sieg entgegen - dachten sicher einige und konzentrierten sich auf die Ränge hinter dem 14:10-Gemeinten. Umso verblüffter waren sie, als ihn die laut Totalisator dritte Bazire-Waffe Valokaja Hindö nicht nur zum Kampf stellte, sondern im Handumdrehen abservierte. Christophe Martens schien ob der „unerhörten Leichtigkeit des Seins“ selbst überrascht: 2½ Längen voraus war der zehnte Sieg des Dänen aus 18 Starts perfekt, seit ihn Bazire vor rund einem Jahr unter seine Fittiche genommen hatte. Mit Platz drei bot der ständig auf höchster Ebene seine Haut zu Markte tragende Cash Gamble mal wieder einen klitzekleinen Ansatz, wogegen Tessy d’Eté nach einem Traumverlauf die letzten Vorstellungen nicht ganz zu bestätigen vermochte. Lotteria-Sieger Bel Avis kam, rundum beschlagen, nie von hinten weg.
„Das ist so ein Rennen, das du im Vorfeld nie gewinnen kannst. Doch dann lief im Windschatten Vitruvios alles perfekt, und zu Beginn der Zielgeraden spürte ich die Chance, dieses Ding nach Hause zu schaukeln, wenn wir nur eine Passage finden. Er sprintete so gut, dass ich nicht mal die Zaumkulissen ziehen musste. Trotz des tollen Sieges schwingt ein bisschen Wehmut mit: Im Vorjahr hat Aubrion du Gers diese Aufgabe mit Bravour gelöst, und heute wurde der kürzlich verstorbene Jean Boillereau zu Grabe getragen.“ Unangetastet blieb der 1:11,3-Rennrekord besagten Aubrion du Gers‘, doch können sich auch die 1:12,9 des „danish dynamite“ sehen lassen, wobei insbesondere die finalen 500 Meter mit 1:07 extraordinär waren.
Ein wenig konsterniert war Bazire, von Valokaja Hindö so leicht abgefertigt zu sein, „auch wenn der kleine Däne den besseren Parcours hatte, ein toller Kämpfer ist und Cleangame die Massage-Arbeit an Vitruvio zu verrichten hatte. Dennoch hat die letzte Spritzigkeit gefehlt. Ich denke, bei der nächsten Aufgabe, dem Prix d’Eté am 7. September (zugleich das Finale der UET-Masters-Serie/Anm.d.Red.), wird er rundum barfuß antreten.“
Prix Jean-Luc Lagardère (Prix d’Europe) (Gruppe II int., Vier- bis Zehnj.)
2875m Bänderstart o.Z., 130.000 Euro
1. Valokaja Hindö 12,9 Christophe Martens 280
8j.dklbr. Hengst von Great Challenger a.d. Hindö Enghave von Victor Victor
Be: Eirik Djuve, DK; Zü: Jeanette Jensen & Vagn Larsen, DK; Tr: Jean-Michel Bazire
2. Cleangame 3. Cash Gamble 4. Tessy d’Eté 5. Détroit Castelets 6. Vitruvio 7. Bugsy Malone 8. Bel Avis Blé du Gers |
13,1 Jean-Michel Bazire 13,2 Eric Raffin 13,3 Franck Nivard 13,5 Matthieu Abrivard 13,7 Alessandro Gocciadoro 14,0 Jean-Philippe Monclin 14,4 Nicolas Bazire dis.r. Alexandre Abrivard |
14 630 230 280 51 420 520 91 |
Sieg: 280; Richter: leicht 2½ - 1½ - 1½ - 4 - 2½ Längen; 9 liefen
Zw-Zeiten: 15,6/1875m - 13,7/2375m
Wert: 58.500 - 32.500 - 18.200 - 10.400 - 6.500 - 2.600 - 1.300 Euro
Feliciano ohne schwitzen
Nachfolger von Classic Connection auf dem obersten Treppchen des Prix de Genève für internationale Vierjährige wurde puppenleicht Feliciano. Mit dem von Philippe Allaire für die Ecurie des Charmes vorbereiteten Sohn der Gruppe-Siegerin Ravanella luchste Eric Raffin Mitte der ersten Überseite dem vorm ersten Bogen vor Fakir du Lorault ins Kommando gezogenen Falcao de Laurma eben jenes ab, rochierte für die Schlussrunde mit Fakir du Lorault und durfte das Tempo anschließend deutlich herausnehmen, so dass 1875 Meter in betulichen 1:17,8 abgewickelt wurden. Das spielte Deutschlands vorjährigem Derby-Zweiten Ids Boko prima in die Karten, mit dem Robin Bakker nach hinten versetzt als Einziger die zweite Spur beackerte. Als er sich allmählich in vordere Sphären getastet hatte, bekam Paul Hagoorts Schüler für den Schlusskilometer in Co-Favorit Falcao de Laurma eine erstklassige Lokomotive.
Kaum erweckte der bullige Braune Hoffnung auf ein Platzgeld, als im Scheitel der letzten Kurve, wo es endlich herzhafter zur Sache ging, des Deutsch-Holländers „Salto mortale“ im Galopp erfolgte. Vorn hatte Feliciano alles eisenhart im Griff und ließ den gut gemeinten Schlussangriff Falcao de Laurmas locker an sich abperlen. Zwei Längen voraus griente Raffin, der beste Chancen hat, Jean-Michel Bazire auf dem französischen Fahrerthron zu beerben, übers ganze Gesicht, so leicht ging ihm der siebente Erfolg des Ready-Cash-Sohnes aus 24 Versuchen von der Hand. Falcao de Laurma, Sieger des Critérium 4 Ans, musste schließlich ganz klein beigeben und auch den aus dem dritten Paar außen kräftig Fahrt aufnehmenden Fric du Chêne um eine Länge vor sich dulden.
Prix de Génève (Gruppe III int., Vierjährige)
2875m Bänderstart o.Z., 80.000 Euro
1. Feliciano 15,2 Eric Raffin 28
4j.schwbr. Hengst von Ready Cash a.d. Ravanella von Jain de Béval
Be / Zü: Ecurie des Charmes; Tr: Philippe Allaire
2. Fric du Chêne 3. Falcao de Laurma 4. Fakir du Lorault 5. Favorite Fligny 6. Fend la Bise 7. Ferreteria 8. Freyja du Pont 9. Flore de Janeiro Ids Boko Feeling Cash |
15,4 François Lagadeuc 15,4 Franck Nivard 15,5 François Lecanu 15,6 Björn Goop 15,7 Franck Anne 15,7 Matthieu Abrivard 16,5 Nicolas Bazire 18,2g Franck Blandin dis.r. Robin Bakker dis.r. Jean-Philippe Monclin |
120 28 59 330 180 380 x170 1320 320 660 |
Sieg: 28; Richter: leicht 2 - ¾ - 1½ - 2 - Kopf - 1 Länge; 11 liefen
Zw-Zeiten: 17,8/1875m - 16,6/2475m
Wert: 36.000 - 20.000 - 11.200 - 6.400 - 4.000 - 1.600 - 800 Euro
Portland vorneweg
Die Revanche zum deutschen Traber-Derby 2017 fand in Enghien statt - und wurde im Prix de la Porte de Versailles, einem Gruppe-III-Rennen für europäische Fünf- und Sechsjährige bis 234.999 Euro Einkommen, zum Triumphmarsch des im Blauen Band so unglücklich gescheiterten Portland. Björn Goop stellte Marion Jauss‘ schmucken Fuchs nach sieben Wochen Rennpause in prächtiger Verfassung vor. Selten sah man den Ganymède-Sohn hinterm Auto derart fetzig losflitzen, was dem mit der „4“ bestens bedienten Hengst kurz nach Eintauchen in die erste Biege die Führung vor Classic Connection (3) und Broadwell (1) bescherte, denen Vanity Luis, Elnino Montaval und Empire City folgten. Ghazi B.R. blieb es vorbehalten, die äußeren Aspiranten über die 2150 Meter zu geleiten. Dem erst nach einer Runde näher zu Portland aufschließenden Norweger, der nur kurzfristig in Classic Connection einen Windbrecher hatte, der bald wieder nach innen verschwand, waren Uncertain Age, Euro du Chêne und Electra Jet auf den Fersen.
Wer befürchtete, der oft eigenwillige Portland würde auf der Zielgeraden einknicken, wurde rasch eines Besseren belehrt. Ghazi B.R. konnte eifern, wie er wollte - an den Fuchs kam er einfach nicht näher als auf 1½ Längen heran. Erheblich größere Gefahr drohte von Classic Connection, den Matthieu Abrivard ums vordere Duo herum in Spur drei lavierte und beherzt angriff. Näher und näher raufte sich der Derby-Trostlauf-Sieger, wobei einige Wackelschritte nicht zu übersehen waren. 100 Meter vorm Ziel, als nur noch eine halbe Länge zu Portland fehlte, setzte Abrivard alles auf eine Karte und schien den Leader tatsächlich packen zu können, als 20 Meter vorm Ziel die mehrmals angedeutete Galoppade zur Realität wurde. Statt mindestens der zweiten Prämie von 14.750 Euro, die sich somit Ghazi B.R. gutschreiben lassen durfte, gab’s nix für eine schneidige Leistung. 2½ Längen zurück hielt Broadwell, der bekanntlich am 122. Derby wegen einer Hufbeinverletzung nicht hatte teilnehmen können, Rang drei vor seinem Nachläufer Vanity Luis fest, ohne je bei den ersten Drei bzw. Zwei Wirkung zu erzielen.
Für den Nachfolger Orlando Jets auf der Ehrentafel war dieser sechste Erfolg „lifetime“ zugleich der vierte auf französischem Boden; sein Konto kletterte auf 232.282 Euro.
Prix de la Porte de Versailles (int., Fünf- und Sechsj., keine 235.000 Euro)
2150m Autostart, 59.000 Euro
1. Portland 13,3 Björn Goop 28
5j. Fuchshengst von Ganymède a.d. Eiffel Bi von Sugarcane Hanover
Be: Marion Jauss, DE; Zü: Peter Heitmann & Christian Tausent, DE; Tr: Björn Goop
2. Ghazi B.R. 3. Broadwell 4. Vanity Luis 5. Uncertain Age 6. Elnino Montaval 7. Empire City 8. Euro du Chêne Classic Connection Electra Jet |
13,4 Jean-Michel Bazire 13,6 Robin Bakker 13,7 Eric Raffin 13,7 Franck Nivard 13,8 Gabriele Gelormini 13,8 Nicolas Roussel 14,2 Paul-Philippe Ploquin dis.r. Matthieu Abrivard dis.r. Pierre Vercruysse |
30 190 290 370 200 750 630 35 170 |
Sieg: 28; Richter: Kampf 1½ - 2½ - 1 - ¾ - k.Kopf; 10 liefen
Zw-Zeiten: 13,5/1150m - 12,2/650m
Wert: 26.550 - 14.750 - 8.260 - 4.720 - 2.950 - 1.180 - 590 Euro
Das letzte Quinté-Rennen des Meetings, den Prix du Pont de l’Alma für ältere Europäer, die keine 235.000 Euro verdient hatten, machten die beiden Favoriten unter sich aus. Von denen vernaschte Charles-Julien Bigeons Classic Haufor (57:10) aus der Todeslage den eine Runde vorm Ziel mit „Monsieur Quinté“ Eric Raffin in Front gezogenen Cocktail Desbois (29) trotz des anspruchsvolleren Pensums locker um 2½ Längen und strich mit 22.950 Euro den Löwenanteil der ausgelobten 51.000 Euro ein. Die Zeit des nunmehr zehnfachen Siegers: 1:12,9/2150m.