Der Tag des Alex Abrivard

Vincennes, Samstag, 3. Dezember 2022. Zwei international konzipierte Gruppe-II-Prüfungen für den Jahrgang 2017 bildeten das Gerüst für die neun Gänge umfassende Nachmittagskarte auf dem Plateau de Gravelle.
Ohne Christian Bigeons auch für ihn etwas unerwarteten Bretagne-Sieger Hip Hop Haufor kam der Prix Doynel de Saint-Quentin über 2.850 Meter auf dem geduldigen Papier als Dreikampf zwischen Happy Valley, Héraut d’Armes und Hohneck daher. Dieses Trio hatte in dieser Reihenfolge am 10. November im ebenfalls europäisch konzipierten Prix Marcel Laurent die Plätze zwei, vier und fünf belegt - und wurde von Einem locker abserviert, der beim achten Anlauf endlich den ersten Frankreich-Treffer landete.
Alexandre Abrivard ließ sich mit dem von Holger Ehlert vorbereiteten Bleff Dipa nicht lange bitten, krallte sich von der gleichfalls zügig eingetretenen Huwaga den Taktstock und gab ein mäßiges Adagio vor, mit dem der Rest lange Zeit zufrieden war. Bis fast zum Gipfel hatte die Perlenkette Bestand, bei der Happy Valley als nächste Preziose vor Hokkaido Jiel, Hohneck, Héraut d’Armes, Hanna des Molles und Have a Dream folgte.
Erst 800 Meter vorm Ziel eröffnete Hokkaido Jiel Spur zwei, und an ihn koppelten sich Hohneck und Héraut d’Armes. Trotz kontinuierlich gesteigerter und nunmehr sehr flotter Fahrt war’s „JMB“ auf einmal nicht mehr schnell genug. Er beorderte seinen Europa-Champion der Fünfjährigen in die dritte Linie, wo der Rappe mit der langen schiefen Blesse nicht wirklich vorankam und bald wieder den Sog Hohnecks suchte.
Doch bei dem 1,2-fachen Millionär, Philippe Allaires designiertem Pferd für den Amérique 2023, haben die vielen harten Schlachten deutliche Spuren hinterlassen, wie der braune Muskelprotz in letzter Zeit immer wieder hatte durchblicken lassen. Ganz anders war’s um Bleff Dipa bestellt: Italiens Derby-Sieger von 2020 aus dem Lot von LeTrot-Präsident Jean-Pierre Barjon konnte durch den Nichtangriffspakt die Kräfte bestens einteilen.
Der Mister-J.P.-Sohn gab kräftig Fersengeld, setzte sich ratzfatz auf zwei Längen ab und ließ sich von diesem Vorteil nichts mehr abzwacken. Ein entspannter Alex Abrivard machte zwei Längen voraus den 307. Saisonsieg perfekt, mit dem sein erstes Frankreich-Championat in immer greifbarere Nähe rückt.
Für den Ehrenplatz flitzte die weit nach außen dirigierte Happy Valley um einen Hauch eher am Zielrichter vorbei als Hohneck, dem im entscheidenden Moment die Spritzigkeit fehlte.
Auch nur „zwei Frauenhaare“ trennte eine halbe Länge dahinter Huwaga von Héraut d’Armes, womit „JMB“ zumindest in einem Recht hatte: Beiden hatte er zur Starterangabe einen grünen Smiley verpasst, was in etwa bedeutete, dass er sie ähnlich stark einschätzte. Rund läuft dieses Meeting für den 20-fachen Sulky d’Or jedoch bislang weiterhin nicht.
Die Absage für Hip Hop Haufor hatte einen eher ungewöhnlichen Hintergrund. Am Freitag war er aus seinem Paddock entfleucht und wurde vorsichtshalber gestrichen. „Aber es ist alles okay mit ihm. Am Sonntag (11. Dezember) im Prix du Bourbonnais wird er wieder antreten“, wie Christian Bigeon verriet.
Prix Doynel de Saint-Quentin (Gruppe II int., fünfj. Hengste & Stuten)
2850m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Bleff Dipa 13,4 Alexandre Abrivard 244
5j.br. Hengst von Mister JP a.d. Preziosa JW von Lets Go
Be: Jean-Pierre Barjon, FR; Zü: Arcangelo di Pasquale, IT; Tr: Holger Ehlert
2. Happy Valley 13,5 Jean-Philippe Dubois 39
3. Hohneck 13,5 François Lagadeuc 26
4. Huwaga 13,6 Nicolas Bazire 180
5. Héraut d’Armes 13,6 Jean-Michel Bazire 26
6. Hokkaido Jiel 13,7 David Thomain 380
7. Hanna des Molles 13,8 Laurent-Claude Abrivard 570
8. Have a Dream 15,5 Matthieu Abrivard 430
Sieg: 244; Richter: leicht 2 - k.Kopf - ½ - k.Kopf - 2½ - 1½ Längen; 8 liefen (NS Hip Hop Haufor)
Zw-Zeiten: 15,1/1350m - 14,7/1850m - 14,0/2350m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-12-03/7500/2
Das Dutzend ist voll
Zwei Stunden später ging auch der Prix Hervé Céran-Maillard für die Generation 2017 nach Italien. Beim ersten Versuch unterm Sattel am 18. November im Prix Joseph Lafosse hatte Balsamine Font in Front unter dem Druck der Rivalen eingangs der Zielgeraden das Handtuch im Galopp und damit alle Chancen weggeschmissen - eine Unart, von der diverse Steuerleute wie Björn Goop, Santo Mollo, Filippo Rocca ein garstig Lied singen konnten.
Diesmal versteckte Alexandre Abrivard die ebenso schnelle wie kapriziöse Filipp-Roc-Tochter konsequent im Mittelfeld und nahm sich den Rücken von Favoritin Happy and Lucky als Wegweiser. Die Ready-Cash-Tochter, auf ihrer Spezialstrecke unterwegs, wechselte zur Hälfte des Anstiegs in Spur zwei und bekam wenig später in Hilyrose d’Iceléa eine Lokomotive, die die ruckzuck vor ihr, Héradamès und Chandelles nach vorn gedüste Héra de Banville an der letzten Ecke im Schwitzkasten hatte.
Es war wie fast immer: Happy and Lucky wich um mehrere Spuren nach außen und machte erst bei den Zuschauern Halt, was Balsamine Font den direkten Dolchstoß ermöglichte. Diese Offerte nutzte die Braune rigoros und machte sich auf vier Längen zum zwölften und wertvollsten Sieg „lifetime“ aus 47 Versuchen aus dem Staub, mit dem ihr Konto auf 233.702 Euro kletterte.
Die etliche Meter kostende Drift nach außen hätte Happy and Lucky fast noch den Ehrenplatz gekostet, für den die lange das Feldende zierende Hirondelle du Rib prima auf Touren kam. Auch Hilyrose d’Iceléa blieb dicht dabei und bewies einmal mehr, dass das Reitgeschäft ihr eigentliches Metier ist: Bei zwei „Attelés“ nach der Sommerpause hatte die Quopeck-Tochter keinen Hering vom Teller gezogen.
Prix Hervé Céran-Maillard - Monté - (Gruppe II int., fünfj. Hengste & Stuten)
2175m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Balsamine Font 11,5 Alexandre Abrivard 42
5j.br. Stute von Filipp Roc a.d. Issima OK von Pine Chip
Be: Scud. San Eusebio Snc, IT; Zü: Allev. Le Fontanette, IT; Tr: Laurent-Claude Abrivard
2. Happy and Lucky 11,9 Adrien Lamy 26
3. Hirondelle du Rib 11,9 Jean-Loïc Claude Dersoir 99
4. Hilyrose d’Iceléa 12,0 Mathieu Mottier 77
5. Héradamès 12,2 David Thomain 240
6. Hopla des Louanges 12,2 Eric Raffin 290
7. Hera de Banville 12,3 Camille Levesque 250
8. Chandelles 12,4 Matilde Herleiksplass 49
Hudson Védaquais dis.r. Paul-Philippe Ploquin 590
Sieg: 42; Richter: überlegen 4 - ¾ - Hals - 3 - Hals - 2 Längen; 9 liefen
Zw-Zeiten: 08,4/675m - 10,4/1175m - 11,8/1675m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-12-03/7500/5
Auch die dritte Nummer sitzt
Die Auguren hätten gewarnt sein können: Im Vorjahr hatte sich Philippe Allaire mit Ici C’est Paris, einem Dollar-Macker-Sohn aus einer Ready-Cash-Mutter, als Trainer in die Siegerliste des Prix Raoul Ballière für dreijährige Satteltraber eingeschrieben - und kopierte das Erfolgsrezept, was so nicht erwartet worden war.
Nicht Joyner Sport, „der im Orsi Mangelli gut genug gelaufen, aber kein Rennglück hatte“, sondern J’Aime le Foot, der, kurzfristig zum Monté-Traber umfunktioniert, das Saint Léger des Trotteurs und den Prix Louis Tillaye mit Bravour auf seine Kappe gebracht hatte, war seine erste Chance.
Doch wenn’s mal läuft, dann läuft’s richtig - und Joyner Sport hatte Alex Abrivard im Sattel. Der war für den 2.175 Meter kurzen Weg hellwach, scheuchte den für Monsieur Allaires eigene Kasse laufenden Braunen sofort vor Jasmina Gédé, Jalouz d’Oliverie, dem am kleinen Wäldchen nach außen beorderten Trainingskamerad und den diesem auf Schritt und Tritt folgenden Jakartas des Prés und Joyeuse in Front und ward nicht mehr einzufangen.
Beim 17. Versuch in einer Gruppe-Prüfung - nur 23 sind’s insgesamt, was unterstreicht, auf welch hohem Niveau Joyner Sport seit Beginn seiner Laufbahn herumturnt - gelang ihm endlich der erste Ritterschlag. Und dies in einem Metier, für das er im Grunde (noch) nicht gemacht ist, wie sein „Obmann“ befand.
„Er ist nicht der ideale Monté-Traber, doch er ist schnell, und so hab ich mein Heil von vorn versucht. Er lag durchweg brillant in der Hand, und spätestens im Schlussbogen ahnte ich, dass wir’s schaffen könnten. Was für ein Tag! Ich hatte in keinem der Gruppe-Rennen die erste Chance, aber es hat alles wie am Schnürchen funktioniert. Für solch goldene Stunden lebst Du diesen Sport“, sprudelte der 29-jährige hervor, der nach dieser Triplette mit 309 Siegen in Sattel und Sulky sein erstes französisches Gesamt-Championat dicht vor Augen hat.
Eric Raffins „Score“ liegt bei 286 Siegen. Hochzufrieden war natürlich auch Philippe Allaire: „J’Aime le Foot ist auf dieser Distanz nicht so gut aufgehoben, sondern über 2.700 Meter stärker. Aber das Match wird ihm trotzdem gut getan haben.“ Der Favorit sah in der Entscheidung nicht nur Jakartas des Prés klar an sich vorbeirauschen, sondern musste das Podest gar komplett räumen: Auf den letzten Metern lief ihm eine gut aufgelegte Joyeuse Rang drei ab.
Prix Raoul Ballière - Monté - (Gruppe II nat., dreij. Hengste & Stuten)
2175m Bänderstart o.Z., 120.000 Euro
1. Joyner Sport 12,3 Alexandre Abrivard 46
3j.br. Hengst von Dollar Macker a.d. Carla du Padoueng von Ready Cash
Be / Tr: Philippe Allaire; Zü: Christian Masson
2. Jakartas des Prés 12,5 Jonathan Balu 98
3. Joyeuse 12,7 Mathieu Mottier 95
4. J’Aime le Foot 12,7 David Thomain 17
5. Jabadao 13,5 Camille Levesque 150
6. Jasmina Gédé 13,8 Victor Saussaye 290
7. Jorgos de Guez 14,3 Adrien Lamy 410
8. Jab de Mye 15,0 Christopher Corbineau 810
Jeune Demoiselle dis.r. Eric Raffin 300
Jalouz d’Oliverie dis.r. Romain Marty 390
Sieg: 46; Richter: leicht 2½ - 2 - ½ - 8 - 3 Längen; 10 liefen
Zw-Zeiten: 10,1/675m - 11,5/1175m - 12,4/1675m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-12-03/7500/9
Allen Grund zum Strahlen hatte Allaire auch nach dem Prix des Dhalias für zweijährige Hengste, in dem es über 2.700 Meter (!) um 42.000 Euro ging und den sich sein Koctel du Dain trotz eines kurzen, rund 15 Meter kostenden Patzers in der Anfangsphase nicht nehmen ließ. 1½ Längen betrug der Vorsprung des Boccador-de-Simm-Sprösslings im Ziel gegenüber Bazires Kassius Berry.
Es war der dritte Treffer des wie immer mit David Thomain liierten Braunen, der nur einmal - in Ecommoy - mit der roten Karte ausgefallen war. Er adelte seine Vincennes-Premiere mit einem Bahnrekord: 1:15,4 - so schnell hatte über 2.700 Meter noch kein Zweijähriger das Plateau de Gravelle bearbeitet.
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2022-12-03/7500/6