Der Spätberufene

Halmstad, Samstag, 19. Dezember 2020. „Dragster sind Fahrzeuge, die speziell für das Drag Racing (Beschleunigungsrennen) konstruiert oder modifiziert werden.“ So steht es in Wikipedia, dem Zwerg Allwissend der Moderne. Offensichtlich muss Züchterin Susanne Svensson früh etwas von den besonderen Fähigkeiten eines am 25. Mai 2012 geborenen Hengstfohlens geahnt haben, als sie ihm diesen Namen gegeben hat, der zugleich Fluch war.
Rasant beschleunigen nämlich - das konnte der Micro-Mesh-Sohn schon immer, und so scheuchte ihn sein Mitbesitzer, Trainer und Fahrer Roger Malmqvist in jungen Jahren - die Rennkarriere begann bereits zweijährig - viel zu oft auf Gedeih oder Verderb vorneweg, was im Verlauf der Jahre trotz ausgedehnter Reisen auch nach Vincennes viel zu wenig einbrachte. Den Stein des Weisen scheint der 56-jährige Jägersroer, der derzeit 15 Schützlinge in Training hat, in diesem Herbst in Gestalt Erik Adielssons gefunden zu haben.
Seit der zehn Jahre jüngere Stockholmer, den Malmqvist noch aus dessen jungen wilden Jahren in Malmö bestens kennt, am 7. Oktober 2020 die Leinen erstmals in die Hand nehmen durfte, ging’s bei dem Wallach mit dem Raketenantrieb tatsächlich rasant voran. Vier Siege, ein Ehrenplatz aus fünf Versuchen sowie 647.500 von 2.222.127 Kronen an Gewinnen stehen seit dieser kurzen Spanne für ihn zu Buche. Wie‘ scheint, hat Malmqvist aus der Not ein Dream-Team geformt.
Nach dem Triumph im Divisionen-Finale am 28. November in Solvalla war das Silver-Maß voll und musste sich Dragster nunmehr um Guld bewerben in einer Aufgabe, die ihm mit der 1640-Meter-Distanz zwar auf den hellbraunen Leib geschnitten war, von der „9“ als Startrakete jedoch nicht. Doch sein Chauffeur bekam auch das bestens hin, versteckte ihn hinter dem die äußere Reihe vor Lionel anführenden Favoriten Nadal Broline im dritten Paar und wartete geduldig auf das, was vor ihm passieren möge.
Den nicht allzu zügigen Takt in einer nicht allzu stark besetzten Gulddivisionen - das Manko jedes schwedischen Winters, wenn viele der „Guten“ sich an Vincennes‘ Gabentisch zu verköstigen suchen - gab wie erwartet Pastore Bob vor General Bianco und Highspeed Call vor.
Ideal wurde Adielssons Lage, als Göran Antonsen mit Lionel 550 Meter vorm Ziel sein bzw. Lionels Mütchen an Nadal Broline kühlen wollte und den Fuchs mit der breiten Blesse, der seit Jahren um Meilen von jener einstigen Verfassung entfernt ist, mit der er in den großen Preisen des Pariser Winter-Meetings tragende Rollen gespielt und beispielsweise im Prix de Paris einem Bold Eagle in Höchstform den ersten Griff nach der Triple Couronne verwehrt hat, in Spur drei zog.
Das war das abrupte Ende für den zehnjährigen Look-de-Star-Sohn, der praktisch sofort, nachdem er ohne Zugpferd dastand, auf die Bremse trat. Da spielte die Galoppade, die er 400 Meter weiter als schwer Geputzter einlegte, keine Rolle mehr, und es bleibt mehr und mehr ein Rätsel, warum sein Besitzer (Göran Antonsen) ihm solche Strafarbeiten weiterhin zumutet.
Für Dragster war’s im wahrsten Sinne Gold wert: Er konnte um eine Position vor- in den Windschatten Nadal Brolines rücken, und hatte, weil Lionel als Bremsklotz ihm den Ausstieg freihielt, allen Raum der Welt, an der letzten Ecke auf freie Bahn zu kommen. Während sich Nadal Broline beim zweiten Start nach fast einjähriger Abstinenz so bravourös wie mühsam am wackeren Pastor vorbeiraufte, machte Dragster nun nicht auf dem Anfangs-, sondern Schlussabschnitt seinen vierrädrigen Vorbildern alle Ehre.
Mit einem entspannten, die Peitsche nicht einmal einsetzenden Erik Adielsson schmetterte er an den Kontrahenten flinken Schritts vorbei zum 16. Sieg der spät richtig Fahrt aufnehmenden Laufbahn. Hinter dem Trio fand Generaal Bianco kein freies Schussfeld, konnte seine Reserven nicht einbringen und von Glück sagen, dass ihm der vom Ende des Feldes fein auf Touren kommende Toddler nicht noch die vierte Prämie stiebitzte.
„Was für eine fantastische Reise“, schwärmte Pflegerin Erika Karlsson, zugleich Malmqvists Lebensgefährtin, „jetzt setzt er sich so ein, wie wir uns das immer erhofft haben. Ich bin stolz und dankbar, solch ein Pferd pflegen zu dürfen. Warum er jetzt so explodiert ist? Vielleicht, weil wir das Training umgestellt haben Er wird viel ruhiger und vorsichtiger als vorher rangenommen und ist dadurch körperlich und vor allem geistig frischer.“
Gulddivisionen (int.)
1640m Autostart, 306.500 SEK
1. Dragster 11,6 Erik Adielsson 46
8j.hlbr. Wallach von Micro Mesh a.d. Timber Marie von Dahir de Prélong
Be: Åström AB (Roger Malmqvist & Mitbes.); Zü: Susanne Svensson; Tr: Roger Malmqvist
2. Nadal Broline 11,8 Björn Goop 21
3. Pastore Bob 11,8 Johan Untersteiner 50
4. Generaal Bianco 12,0 Peter Untersteiner 71
5. Toddler 12,0 Marc Elias 697
6. Partizan Face 12,1 Adrian Kolgjini 462
7. Master Crowe 12,2 Kim Eriksson 855
8. Secret Mission 12,8 Henriette Larsen 1059
9. Highspeed Call 13,1 Stefan Persson 763
10. Bear Dancer 14,6 Kevin Oscarsson 1804
Lionel dis.r. Göran Antonsen 112
Sieg: 46; Richter: leicht 1½ - ½ - 1 - Hals - 1 Länge; 11 liefen (NS Västerbo Exact / lahm)
Zw-Zeiten: 10,4/500m - 12,1/1000m - 11,4/letzte 500m
Wert: 150.000 - 75.000 - 37.500 - 19.000 - 12.000 - 8.000 - 5.000 SEK
Glorreicher Abschied von Tessy d‘Eté
Einen Schlussstrich unter eine Karriere, wie man ihn sich als Besitzer, Trainer und Fahrer nur wünschen kann und wie er dem 17 Millionen SEK schweren Lionel vermutlich nicht vergönnt ist , setzte die eisenharte Tessy d’Eté, die ihren Hafer zu Beginn ihrer Laufbahn in Italien, dann in Frankreich und nun bei Jerry Riordan in Halmstad verdient hat.
Beim 73. Start rang die achtjährige Ganymède-Tochter, die wie vier Leidensgefährtinnen in der Diamant-Stoet für die reichen Ladys zwei Zulagen wettzumachen hatte, trotz finaler 900 Meter in äußeren Spuren mit Favoritin Wild Love „am Hacken“ die das stramme Tempo vorgebende Kali Smart um 1½ Längen nieder. 1:13,8/2180m, 87:10, 110.000 SEK lautet der letzte Eintrag für die Italienerin, die mit 17 Volltreffern und 6.892.008 Kronen auf dem Zeugnis von Face Time Bourbon bedeckt werden soll.
Aller guten Dinge sind Drei hieß es in der abschließenden Silverdivisionen für Vorbereiter Jerry Riordan und Vollstrecker Magnus Djuse, die in dieser Konstellation die „kleine“ wie die „große“ Diamant-Stoet eingesackt hatten und mit dem vorneweg nicht zu knackenden Zio Tom Jet ihrem goldenen Tag die Krone aufsetzten. Gegen den Maharajah-Sohn kam beim 1640-Meter-Sprint auch Farlander Am nicht an, der von der „10“ nur im vierten Paar außen unterschlüpfen konnte und die finalen 700 Meter durch Spur drei düste, was dem Lavec-Kronos-Sohn dann doch ein wenig zu viel war: Auch Staro Leonardo bekam er nicht mehr zu packen.
Eine Lanze für sein Personal brach der Trainer des Tages Jerry Riordan: „Ohne mein Team bin ich nichts. Speziell bei Tessy d’Eté war das augenfällig, die ziemlich ausgebrannt im März zu mir gekommen ist. Mein Tierarzt hat mir damals geraten, sie decken zu lassen. Heli (Tarrimaa, bei der Abschiedstränen kullerten) wollte sich damit nicht abfinden. Sie hat Tessy unglaublich umhegt und gepflegt. Das hat den Ausschlag geben, dass sich die Stute noch mal so zusammengerissen hat. Auf diesem Niveau ist der entscheidende Unterschied nicht mehr körperlicher, sondern mentaler Art. Passen Pferd und Mensch so perfekt zusammen, kannst du als Trainer die ganz großen Würfe landen! Spannend wird’s allemal, ein Fohlen aus einer solch hart erprobten Mutter und dem derzeit wohl besten Traber der Welt am Start zu sehen. Selbst wenn das nicht unter meiner Regie sein sollte.“
V75-1 (Klass I): Astronascente Zac / Björn Goop 23
V75-2 (Klass II): Jeans’n Passion / Dan-Åke Olsson 52
V75-3 (Guld): Dragster / Erik Adielsson 46
V75-4 (Diam-Sto): Nouba Mom / Magnus Djuse 20
V75-5 (Brons): Inertial / Jörgen Sjunnesson 114
V75-6 (Diam-Sto): Tessy d‘Eté / Magnus Djuse 87
V75-7 (Silver): Zio Tom Jet / Magnus Djuse 112
Umsatz V75: 97.922.008 SEK
1. Rang: 286,9 Systeme à 88.714 SEK
2. Rang: 853 SEK
3. Rang: 81 SEK
Umsatz Top-7 (Brons): 2.605.563 SEK