Der Mörder schlägt wieder zu

Enghien, Samstag, 22. April 2023. Wie in jedem Jahr platzt die 1.300 Meter weite Piste auf dem Plateau de Soisy mit ihrem einzigen Gruppe-I-Rennen der Saison in die Vincenner Frühjahrs-Offensive. Um 200.000 Euro ging’s im mit dem Auto gestarteten Prix de l’Atlantique, der für einige Teilnehmer wie Hohneck und Callmethebreeze das Ende der Winterpause, für andere wie Horsy Dream und Etonnant die Probe für anstehende Skandinavien-Abenteuer bedeutete.
Besagter Etonnant, der den zweiten Teil des Winter-Meetings wegen eines Borreliose-Schubs komplett hatte sausen lassen müssen, bewies mit dem dritten Treffer in Folge nach Caen (16. März) und Vincennes (8. April), dass die Krankheit keine nachhaltigen Spuren hinterlassen hat und er auf bestem Weg zur Titelverteidigung des Elitloppet ist.
Startplatz „8“, in Enghien der äußerste der ersten Reihe, schmeckte dem Timoko-Nachkommen bestens, der dort draußen seine Ruhe hatte. Anthony Barrier ließ sich die anderen ums Kommando streiten und sah aus dem Mittelfeld, wie sich Trainingskamerad Frisbee d’Am (3) mit viel Verve gegen Emeraude de Bais (1) durchsetzte. Die Ablösung in Gestalt von Hohneck (4) ließ nur bis ausgangs der ersten Kurve auf sich warten.
In der zweiten Gefechtslinie kämpfte Callmethebreeze mit dem Kopfwind, während im Windschatten des Allaireschen Italieners Délia du Pommereux bei ihrem 100. Auftritt, Elvis du Vallon, Horsy Dream und Gently de Muze wichtige Körner zu sparen gedachten. Und dann kam auch schon Etonnant über Spur drei angedonnert. Zwischenspurt eins brachte ihn im vorletzten Bogen an die Flanke Hohnecks.
Kurze Verschnaufpause für Zwischenspurt zwei, der ihm Mitte der Überseite im Sturmschritt die Führung bescherte. Einmal mehr entpuppte sich der Braune als eisenharter Kämpfer, den auch der lange Enghiener Einlauf nicht beeindruckte. Nach Ehrenplätzen 2021 und 2022 jeweils hinter Vivid Wise As konnte er endlich unter diese Prüfung einen dicken Haken machen.
Der 23. Sieg aus 89 Versuchen, der fünfte der „haute catégorie“, ließ sein Konto um 90.000 auf 2.286.925 Euro klettern und seinen Trainer und Besitzer in der Gewissheit zurück, auf bestem Weg zur vorjährigen Stärke zu sein - Solvalla wird’s freuen.
Für den Ehrenplatz kam Go On Boy aus dem hinteren Mittelfeld mit Riesenschritten angestiefelt. An Etonnant, hinter dem Barrier gar nichts zu machen brauchte, lief er bis auf eine Länge heran, womit er zugleich den ein formidables Comeback gebenden Hohneck um eine Dreiviertellänge links liegen ließ. Ein bisschen feilen müssen Pierre Belloche und Eric Raffin noch bei Horsy Dream, der für den Elitloppet gebucht ist.
Die Quinté-Wette komplettierte Elvis du Vallon, der seine aktuellen Vorstellungen rundweg auf den Kopf stellte und den enttäuschenden Gently de Muze knapp aus der Fünfer-Wette schubste. Für die zuletzt so starke Emeraude de Bais und Fakir du Lorault war ausgangs der letzten Biege Schluss mit Trab.
Unangetastet blieb der 2019 von Looking Superb aufgestellte 1:10,6-Rennrekord.
„Was für ein Crack, was für eine unglaubliche Maschine“, schwärmte und staunte Trainer Richard Westerink und sprach damit Vielen aus dem Herzen, die die Zeit zurückgedreht wähnten und an Timoko erinnert wurden, „ich habe nicht die Absicht, sein Programm zu ändern, das vor zwölf Monaten wunderbar funktioniert hat. Ich weiß gar nicht, ob Etonnant gern in so kurzer Folge startet, aber das macht die Sache einfacher."
"Es erspart uns harte Trainingseinheiten, denn zwischendurch ist er auf dem Gestüt von Franck Leblanc als Deckhengst aktiv. Bei dieser Gelegenheit mein herzlicher Dank an ihn und sein Team, die den Hengst so fein in Schuss halten. Er wird also den Prix des Ducs de Normandie bestreiten, bevor es nach Solvalla geht.“
Go On Boy zum Elitloppet
Der tolle Speedwirbel Go On Boys, der durch die letzten 1.000 Meter in 1:08, die finalen 500 in 1:07,3 fegte, bescherte ihm nebst 50 „Mille“ eine Einladung zum Elitloppet, die Romain Derieux gern annahm. Der 38-jährige hat an Stockholm allerbeste Erinnerungen, gewann er doch 2019 den Elitloppet in einer tatsächlichen wie verbalen Schlammschlacht mit Dijon gegen Aubrion du Gers. „Er wird bis zum letzten Mai-Wochenende vermutlich nicht mehr starten.“
Anders sieht’s bei Hohneck aus, der für die Sprinter-WM im Visier von Stockholms Sportchef Anders Malmrot ist. Der reisefreudige Philippe Allaire ist für den 1,4-fachen Millionär nicht abgeneigt, will aber erst den „Ducs de Normandie“ abwarten.
Nicht unzufrieden war Pierre Belloche mit der Vorstellung Horsy Dreams, „die dem Trainingszustand voll und ganz entspricht. In den nächsten Tagen werden wir entscheiden, ob er vor dem 28. Mai noch ein Rennen braucht. Das wäre dann der ‚Ducs‘.“
62. Prix de l’Atlantique (Gruppe I int., vier- bis zehnj. Hengste und Stuten)
2150 Meter Autostart, 200.000 Euro
1. Etonnant 11,0 Anthony Barrier 21
9j.br. Hengst von Timoko a.d. Migraine von Alligator
Be / Tr: Richard Westerink; Zü: Christian Guy Vigier
2. Go On Boy 11,0 Romain Derieux 180
3. Hohneck 11,1 Gabriele Gelormini 48
4. Horsy Dream 11,3 Eric Raffin 100
5. Elvis du Vallon 11,5 David Thomain 1070
6. Gently de Muze 11,6 Jean-Michel Bazire 100
7. Fric du Chêne 12,0 François Lagadeuc 1450
8. Kennedy 12,1 Veli-Pekka Toivanen 1420
9. Cash Bank Bigi 12,3 Benjamin Rochard 330
10. Délia du Pommereux 12,5 Pierre-Yves Verva 200
11. Callmethebreeze 12,6 Alexandre Abrivard 350
12. Frisbee d’Am 12,9 Yoann Lebourgeois 730
Fakir du Lorault dis.r. Mathieu Mottier 520
Emeraude de Bais dis.r. Franck Nivard 100
Sieg: 21; Richter: leicht 1 - ¾ - 2½ - 2 - ½ - 4 Längen; 14 liefen
Zw-Zeit: 11,4/1150m - 10,6/1650m
Wert: 90.000 - 50.000 - 28.000 - 16.000 - 10.000 - 4.000 - 2.000 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2023-04-22/7502/4
Der Gigolo im ganz langsamen Walzer
Eine Stunde nach dem „Atlantique“ stellte sich die einheimische Generation 2019 über 2.850 Meter des Prix de Tonnac-Villeneuve ausgiebig vor. Als Spitzenkraft wurde völlig zu Recht Philippe Allaires Just a Gigolo ausgeguckt, der nicht nur mit deutlichem Abstand der Reichste des Dutzends war, sondern von zweijährig an auf höchstmöglichem Niveau getanzt hatte und bis auf zwei Ausnahmen Dauergast auf dem Stockerl war.
Bis auf Jaguar Marancourt nahm der Pulk die weite Reise anstandslos unter die Hufe - mit einem blendend aufgelegten Just For Lova, der als ärmste Kirchenmaus keine Angst vor den reichen Tieren zeigte und sich ruckzuck auf den Regiestuhl pflanzte. Lange vermochte er sich dort nicht zu halten, denn schon im ersten Bogen wurde er vom auch nicht viel reicheren Jingle Délo abgelöst.
Das passte dem früh im Vordertreffen aufgetauchten Just A Gigolo bestens in den Kram, der von den beiden Underdogs natürlich durchgewinkt wurde, noch ehe Bogen Nummer zwei erreicht war. Der aus dreimonatiger Pause kommende Boccador-de-Simm-Sohn ließ es fortan höchst betulich angehen.
1:17,1 für die ersten beiden Kilometer waren ein Walzer im langsamen Largo, durch den sich die weit nach hinten versetzt in Spur zwei unterwegs befindlichen Jaguar Griff, J’Aime le Foot, Juninho Dry, Joyner Sport und Juliet Papa Bravo dennoch nicht wirklich locken ließen. Beim Prestissimo der letzen 400 Meter war dann kaum Boden gegen Just A Gigolo wettzumachen, zumal J’Aime l Foot eingangs der Zielgeraden sprang und Juninho Dry, Jazzy Perrine sowie Joyner Sport unglücklich aufprallten.
Franck Nivard brauchte keinen Finger zu rühren, um seinen Partner zum 15. Volltreffer zu schaukeln, der zugleich der zwölfte auf Gruppe-Level war und ihn auf 911.450 Euro brachte. Für den an Longshot Just For Lova gehenden Ehrenplatz kam Juliet Papa Bravo zu spät auf Touren, die für „Bronze“ Jag Stryck und Jaguar Griff abfing.
„Ich freue mich sehr über diesen Erfolg, der keineswegs so selbstverständlich war, wie er zustande kam. Nach dem letzten Start am 8. Januar war Just A Gigolo erkältet, so dass ich das Winter-Meeting für ihn sofort gestoppt habe. Dazu kam das erste Engagement als Deckhengst, bei dem du nie weißt, wie er dies verkraftet“, war Allaire, der Patron des Haras de Bouttemont, hochzufrieden.
Nivard, der den Hengst bis auf eine Ausnahme stets in Händen hatte, bestätigte: „Ein gelungenes Comeback, bei dem der Braune keinen Moment an die Reserven gehen musste. Die Gegner haben es uns leicht gemacht, worüber ich nicht unglücklich bin.“
Im Gegensatz zu den „turfistes“ war der Ehrenplatz des bei 1.090:10 notierten Jut For Lova für Antoine Lhérété keine grenzenlose Überraschung: „Der Hengst liebt Enghien, hat hier seinen einzigen Sieg gefeiert, und es war extrem verbummelt. Da konnte er seine Speed-Kapazitäten perfekt umsetzen.“
Nicht tragisch nahm Clément Duvaldestin den im Ergebnis etwas ernüchternden dritten Platz: „Natürlich - wir lagen ein bisschen sehr weit vom vorderen Schuss entfernt. Ich wollte der Stute kein hartes Programm aufdrücken und hab trotz der Bummelei die Füße still gehalten. In die Karten gespielt hat uns das Durcheinander, das die drei ‚Galopper‘ ausgangs der letzten Kurve verursacht haben, auch nicht. Ihr Endspurt war umso besser. Vielleicht gehen wir mit ihr zum Elitloppet-Meeting nach Stockholm, wo sie ein Gruppe-II-Rennen für vierjährige Stuten hätte. Entschieden ist aber noch nichts.“
Prix de Tonnac-Villeneuve (Gruppe II nat., vierj. Hengste & Stuten)
2875m Bänderstart, 120.000 Euro
1. Just A Gigolo 15,0 Franck Nivard 20
4j.br. Hengst von Boccador de Simm a.d. Blue Valentine von Ready Cash
Be / Zü / Tr: Philippe Allaire
2. Just for Lova 15,2 Antoine Lhérété 1090
3. Juliet Papa Bravo 15,3 Clément Duvaldestin 41
4. Jag Stryck 15,3 François Lagadeuc 200
5. Jaguar Griff 15,3 Romain Hue 580
6. Juninho Dry 15,4 Alexandre Abrivard 74
7. Jaguar Wit 15,7 Matthieu Abrivard 680
Jazzy Perrine dis.r. Eric Raffin 210
Joyner Sport dis.r. David Thomain 180
J’Aime le Foot dis.r. Mathieu Mottier 470
Jaguar Marancourt dis.r. Gabriele Gelormini 220
Jingle Délo dis.r. Anthony Barrier 180
Sieg: 20; Richter: überlegen 2½ - 2 - ½ - Hals - 1 - 5 Längen; 12 liefen
Zw-Zeit: 17,1/1875m - 15,9/2375m
Wert: 54.000 - 30.000 - 16.800 - 9.600 - 6.000 - 2.400 - 1.200 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2023-04-22/7502/6