Der Bourbone im Bourbonnais

(nn) Vincennes, Sonntag, 13. Dezember 2020. „Tiiief durchatmen“ hieß es nach dem Prix du Bourbonnais für Björn Goop, der sich gefreut haben dürfte, nach den letzten Wochen, in denen weder in Schweden noch in seiner zweiten Heimat Frankreich sonderlich viel zusammengelaufen war, hinter einem „Unverlierbaren“ zu sitzen.
Wer oder was sollte diesen Face Time Bourbon, für den die zweite von vier Qualifikationsrunden für die am 31. Januar anstehende 100. Auflage des Prix d’Amérique ursprünglich gar nicht im Fahrplan vorgesehen war - Trainer Guarato wollte nach dem Sieg im Prix Marcel Laurent erst wieder im Prix Ténor de Baune am 27. Dezember und dann zur Titelverteidigung im Amérique anspannen, doch war ihm die Pause dann doch zu lang -, bei der 31. Ausfahrt am 27. Sieg hindern?
Wie sein Vorgänger Bold Eagle ist auch „FTB“ als aktuell wohl bester Traber der Welt zum Siegen verdammt, und in dieses Feuer hatte sein Trainer auch noch mächtig Öl gegossen: „Obwohl wir uns wegen seiner Gewinnsumme von 2,1 Millionen Euro keinerlei Sorgen um einen Amérique-Platz machen müssen, fahren wir hier nicht nur spazieren. Wir werden das Rennen offensiv angehen. Ich will wissen, wo er steht.“
Die Wetter hatten ohnehin wenig Zweifel, und als es mit rund acht Minuten Verspätung endlich losging - beim ersten Versuch fädelte Fakir du Lorault bei Drôle de Jets Rad ein, katapultierte François Lecanu aus dem Sulky, drehte eine Ehrenrunde, wurde eingefangen und, obwohl Pferd, Fahrer, Geschirr und Wagen unversehrt waren, korrekterweise zum Nichtstarter erklärt -, notierte der unscheinbare Braune bei schmalen 12:10.
Rund 376.000 der 567.000 Euro bei den Sieg-, 1.118.000 der 1.517.000 Euro bei den Platzwetten lasteten auf den Schultern des neben dem ganz außen eindrehenden und kurz springenden Drôle de Jet loslegenden Ready-Cash-Sohn, der auf dem rasanten Weg zur Spitze unvermittelt einen Fehler einlegte, bei dem so mancher seine Wett-Felle davon schwimmen sah.
Der ebenso wie alle Anderen völlig überraschte Goop („Das kannte ich von ihm gar nicht - nicht mal vom Aufwärmen.“) bekam Face Time Bourbon nach fünf Sprüngen wieder unter Kontrolle. Allzu groß war der Bodenverlust nicht, den sich das Duo mit dieser Adrenalinstoß-Nummer einhandelte: An sechster Stelle fasste Face Time Bourbon im Gegensatz zum kurz darauf springenden und mit „rot“ ausgemusterten Frisbee d’Am wieder Tritt - und ab ging’s vor der Tribüne in vierter Spur Richtung Spitze, die er bei verbummelter Fahrt vorm Einbiegen in den Bogen von Joinville Délia du Pommereux entriss.
Hinter der doppelten Titelverteidigerin - sie hatte sich sowohl 2018 als 2019 als Siegerin des Bourbonnais für den Amérique qualifiziert - lagen die Schwedin Activated, Davidson du Pont, Hudson River, Jerry Mom und Bilibili, der rundum beschlagen ohne sonderliches Interesse eine Trainingseinheit unter Rennbedingungen auf dem Weg zum Prix de Cornulier verschrieben bekam. Als äußere Leaderin präsentierte sich die von Alain Laurent mal wieder wenig ökonomisch chauffierte Chica de Joudes, der Moni Viking, Valzer di Poggio, Victor Ferm, Erminig d’Oliverie, Drôle de Jet und Carat Williams folgten.
Trotz weiterhin äußerst mäßiger Pace - von einem Herz-und-Nieren-Test, wie von Guarato unter der Woche versprochen, war nichts zu spüren - änderte dieses Paarlaufen weder bergauf noch bis zur Einmündung der „petite piste“. Erst danach brachten die Italiener aus Bazires Lager Schwung in den müden Laden. Valzer di Poggio, nach elf Siegen am Stück bereits im Prix de Bretagne stark gelaufen, aber letztlich von den Großen gefressen und kurz vorm Ziel als Vierter gesprungen, kam in dritter Spur so schwungvoll angescheppert, dass Goop nicht nur die Ohrenwatte zog, sondern Face Time Bourbon ein paarmal die Peitsche auflegte.
Besser als der Fuchs mit dem großen Stern, der den Elan dann doch nicht bis zum Ziel durchhielt, mächtig ins Schwimmen geriet und im Nachgang als Siebter am Turm landete, hielt der direkt dahinter postierte Victor Ferm durch, der sich ausgiebige Galopp-Einlagen im Heat geleistet hatte, sich „im Ernst“ mit Alexandre Abrivard jeden Aussetzer verkniff, völlig überraschend auf den Ehrenplatz durchbiss und Bazire den ersten Amérique-Starter bescherte.
Ähnlich lief’s für Pierre Vercruysse, mit dessen schwedischem Weltrekordler Moni Viking Matthieu Abrivard nicht minder unerwartet Platz drei eroberte vor Délia du Pommereux, die sich aufgrund ihrer Gewinnsumme von 1.007.320 Euro wohl keine Sorgen machen muss, am Tag X dabei zu sein. Vercruysse selbst holte mit dem von „j.w.d.“ heranfliegenden Drôle de Jet die fünfte Prämie ein vor dem mehr oder weniger unauffälligen Rest, aus dem der rundum mit Eisen versehene Amérique-Zweite Davidson du Pont demnächst wohl von Jean-Michel Bazire persönlich auf Vordermann gebracht werden dürfte.
„Ich denke, beim Fehler hat er mit einem Hinter- das Vorderbein getroffen. Das passiert ihm manchmal, wenn er zu schnell los will. Nach dem Schreckensmoment war er perfekt. Ich hab das Tempo bewusst ruhig gehalten, denn der Winter ist noch lang und das Rennen, für das wir ihn vorbereiten, sechs Wochen hin. Er ist ein höchst intelligenter Typ, der genau weiß, wann‘s darauf ankommt. Das Gute: Er ist ein nervenstarker Bursche, den nichts so schnell aus der Ruhe bringt“, machte Goop ebenso erleichtert wie zufrieden einen dicken Haken unter die Pflichtaufgabe.
Prix du Bourbonnais (Gruppe II int., vier- bis zehnj. Hengste und Stuten)
2850 Meter Bänderstart o.Z., 95.000 Euro
1. Face Time Bourbon 13,8 Björn Goop 12
5j.dklbr. Hengst von Ready Cash a.d. Vita Bourbon von Love You
Be: Scud. Bivans Srl, IT (Antonio Somma); Zü: SARL Haras Saint Martin (Rainer Engelke); Tr: Sébastien Guarato
2. Victor Ferm 13,9 Alexandre Abrivard 370
3. Moni Viking 14,0 Matthieu Abrivard 280
4. Délia du Pommereux 14,0 Franck Nivard 150
5. Drôle de Jet 14,1 Pierre Vercruysse 550
6. Chica de Joudes 14,1 Alain Laurent 520
7. Erminig d’Oliverie 14,4 Eric Raffin 440
8. Davidson du Pont 14,4 Nicolas Bazire 1000
9. Bilibili 14,4 Laurent-Claude Abrivard 1340
10. Carat Williams 14,5 Yoann Lebourgeois 330
11. Activated 14,5 Franck Ouvrie 1190
12. Jerry Mom 15,2 Gabriele Gelormini 1210
13. Hudson River 15,4 Alexis Prat 1730
Valzer di Poggio 7.dai Jean-Michel Bazire 75
Frisbee d’Am dis.r. Anthony Barrier 730
Sieg: 12; Richter: sicher 1½ - ½ - ¾ - 1¼ - Hals - 3½ - 1 - k.Kopf - ½ Länge; 15 liefen (NS Fakir du Lorault / beim ersten Startversuch mit Drôle de Jet kollidiert und fahrerlos)
Zw-Zeiten: 17,1/1350m - 15,9/1.850m - 15,7/2350m
Wert: 38.250 - 21.250 - 11.900 - 6.800 - 4.250 - 1.700 - 850 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2020-12-13/7500/4
Qualifiziert für den Prix d’Amérique 2021:
Diable de Vauvert, Feliciano, Bahia Quesnot (Prix de Bretagne)
Face Time Bourbon, Victor Ferm, Moni Viking (Prix du Bourbonnais)
Die nächsten Eintrittskarten werden an die Sieger des Critérium Continental und des Prix Ténor de Baune am 27. Dezember vergeben. Je drei Tickets gibt’s in den Prix de Bourgogne und de Belgique (3. bzw. 17. Januar).
Gunillas Absage eiskalt genutzt
Kleiner Wermutstropfen in Guaratos Freude: Kurzfristig musste für den Prix Ariste Hémard der vierjährigen Stuten Vorab-Favoritin Gunilla d’Atout in der Boxe bleiben. Prima, wenn man wie der 48-jährige Erfolgscoach doppelt gut besattelt ist. Die Gunst der Wetter fiel Green Grass zu, die dieser Aufgabe trotz einiger Umwege sehr gerecht wurde. Es dauerte ein Weilchen, bis Mathieu Mottier die Bold-Eagle-Tochter im dichten Getümmel der verbliebenen zehn „Mademoiselles G“ über die dritte Spur in Front gewuchtet hatte.
Genau genommen bis zum Scheitel der unteren Kurve, wo sie Gloria du Gers, die die Spitze erst wenige hundert Meter zuvor von Gemme de Busset erobert hatte, von der Kommandobrücke jagte. Fortan musste die als härteste Kontrahentin angesehene Goldy Mary die Außenspur beackern - mit Gloria Berry, Galilea Money, Goulette und der nur zögernd in Gang gekommenen Gaya de Bellouet „huckepack“.
Die Attacke Goulettes in dritter Spur 800 Meter vorm Ziel erwies sich als ebenso kurzes Intermezzo wie jene im Schlussbogen von Gaya de Bellouet, an die sich Glorissima und Guérande koppelten. Vielleicht hätte Jean-Michel Bazire bereits hier seine Gloria Berry auf Angriff polen sollen. Er verharrte hinter Goldy Mary und krempelte erst zu Beginn der Zielgeraden die Ärmel hoch.
Das war zu spät für Green Grass, die eine knappe Länge Vorsprung zum zehnten Erfolg „lifetime“ und achten auf Gruppe-Level sicher festhielt, mit dem sich die UET-Zweite und Critérium-des-Jeunes-Beste nachdrücklich zurückmeldete und das Critérium Continental mit breiter Brust und 616.800 Euro auf der Habenseite angehen wird.
Mathieu Mottier, der sie Anfang dieser Saison von Gabriele Gelormini „geerbt“ hatte, war voll des Lobes: „Das war eine exzellente Übung für den ‚Continental‘, weil sie nicht allzu viel Kraft gekostet hat. Green Grass steigert sich von Mal zu Mal, lässt sich prima fahren und weiß, worauf es ankommt. Vielleicht ist sie aus dem Getümmel heraus sogar noch stärker. Mit einem akzeptablen Rennverlauf mischt sie in 14 Tagen vorne mit.“
Prix Ariste Hémard (Gruppe II nat., vierj. Stuten)
2700 Meter Bänderstart o.Z., 85.000 Euro
1. Green Grass 13,7 Mathieu Mottier 19
4j.br. Stute von Bold Eagle a.d. Tootsie Smiling von Goetmals Wood
Be: Sébastien Dewulf; Zü: Frédéric Brouilloux; Tr: Sébastien Guarato
2. Gloria Berry 13,8 Jean-Michel Bazire 58
3. Goldy Mary 13,8 Matthieu Abrivard 43
4. Galilea Money 13,8 Alexandre Abrivard 340
5. Glorissima 13,9 Etienne Dubois 310
6. Gloria du Gers 14,0 Nicolas Bazire 230
7. Gaya de Bellouet 14,2 Alexis Chéradame 810
8. Guérande 14,2 Eric Raffin 350
9. Gemme de Busset 14,4 David Thomain 120
10. Goulette 18,0g Franck Nivard 200
Sieg: 19; Richter: sicher ¾ - ¾ - k.Kopf - 1¼ - ¾ - 2½ Längen; 10 liefen (NS Gunilla d‘Atout)
Zw-Zeiten: 15,9/1200m - 14,6/1700m - 14,9/2200m
Wert: 38.250 - 21.250 - 11.900 - 6.800 - 4.250 - 1.700 - 850 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2020-12-13/7500/5
Ordentlicher Auftritt von Namanga Bo
Sehr viel besser als tags zuvor Body n Soul den Prix de Mansle bewältigte Namanga Bo das Gegenstück für dreijährige Stuten, die keine 100.000 Euro verdient hatten, obwohl sie im Prix Albert Rayon ebenfalls aus Startreihe zwei los musste. Matthieu Abrivard kam mit der Maharajah-Tochter der Herren Wittmann und Weck blendend ab, hinter der sich sofort die Spitze krallenden Hermine Girl und Hélèna Barosso unter und rückte und rührte sich dort bei enormem Tempo, für das wie so häufig Yoann Lebourgeois verantwortlich war, nicht weg.
Das reichte für die Siegerin eines Stuten-Derby-Vorlaufs unter Verbesserung ihrer Bestmarke um 0,3 Sekunden auf 1:12,1 zu Platz fünf und 3.000 Euro - auch weil die zum engsten Favoritenkreis zählenden Balsamine Font im Joinviller Bogen ausfiel und Health Mesloise, der der permanente äußere Kopfwind die Füße schwer werden ließ, zu Beginn der Zielgeraden auf dem Rückzug mit Haziella d’Amour kollidierte und wie diese galoppierte.
Damit löste Namanga Bo Gilda Newport als schnellste deutsche dreijährige Stute auf der Mitteldistanz ab und egalisierte gleichzeitig die Dreijährigen-Bestmarke von Blackhawk, Dreambreaker und Ids Boko, die die 12,1 allesamt auf der 1900-Meter-Strecke in Mariendorf gelaufen waren.
Nie ins Wackeln kam die ihren Strich eisern durchstehende Hermine Girl, die für den Stall Danover von Stefan Provoost im 30. Anlauf ihre Maidenschaft ablegte und bei 40,4-fachen Odds ein kleines Toto-Beben auslöste. Für den Trainer war‘s „der tröstliche Abschluss einer unterirdischen Saison mit dem Lockdown im Bereich des Pferdesports und zu wenigen erfolgversprechenden Schützlingen. Ich hoffe, Hermine Girl hat diesen Bock grundlegend umgestoßen. Ich hab Yoann auf den Weg gegeben, sie freiweg marschieren zu lassen. Die Beiden haben das perfekt umgesetzt.“
Prix Albert Rayon (Gruppe III int., dreij. Stuten, keine 100.000 Euro)
2100 Meter Autostart, 60.000 Euro
1. Hermine Girl 11,7 Yoann Lebourgeois 404
3j.br. Stute von Atlas de Joudes a.d. Salut Beauté von Fleuron Perrine
Be: Ecur. Danover; Zü: Sébastien Levesque; Stéphane Provoost
2. Hélèna Barosso 11,9 Sylvain Dieudonné 810
3. Beautiful Colibri 12,0 François Lagadeuc 33
4. Hollywood Night 12,0 David Armellini 300
5. Namanga Bo 12,1 Matthieu Abrivard 330
6. Harley de Laumac 12,2 David Thomain 210
7. Harvest Home 18,0 Franck Nivard 600
Health Mesloise dis.r. Pierre Belloche 43
Balsamine Font dis.r. Björn Goop 27
Haziella d’Amour dis.r. Alexandre Abrivard 83
Sieg: 404; Richter: sicher 1½ - 2 - k.Kopf - 1½ - ½ Länge; 10 liefen
Zw-Zeiten: 07,7/600m - 09,8/1100m - 11,8/1600m
Wert: 27.000 - 17.000 - 8.400 - 4.800 - 3.000 - 1.200 - 600 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2020-12-13/7500/2