Cleangames Grüße aus einer anderen Welt

(nn) Vincennes, Samstag, 5. September 2020. Weil die UET-Masters-Serie wegen der Corona-Epidemie für diese Saison ausgesetzt wurde, kam der traditionsreiche Prix d’Eté diesmal als ganz gewöhnliche, mit 145.000 Euro dotierte Gruppe-II-Prüfung für die älteren Semester daher.
Im Vorjahr hatte Cleangame den ersten, über 171.000 Euro ausgestellten Scheck kurz vorm Ziel mit einem bei ihm inzwischen unüblich gewordenen unmotivierten Fehler vergaloppiert und damit Propulsion, über dem seit drei Monaten das Damoklesschwert der Disqualifikation in all seinen europäischen Rennen schwebt, den Weg zur Titelverteidigung als Europas Champion geebnet. Um nicht mal das halbe Preisgeld verschaffte sich der vielleicht beste aktive Wallach der Welt mit seinem 36. Treffer späte Genugtuung in einer Manier, die so manchen staunend zurück ließ.
Während sich Anzi des Liards mit gewohnt mächtigem Antritt vor Tony Gio, Alcoy, Drôle de Jet sowie der nur mal zum Spaß angespannten Sattel-Koryphäe Etoile de Bruyère auf den Regiestuhl pflanzte - Frankreich-Debütant Hudson River „floss“ sofort abgehängt hinterher -, sah sich Jean-Michel Bazire außen hinter Bahia Quesnot und Valokaja Hindö das muntere Treiben genüsslich an. Vergällt wurde ihm das Zuschauen durch den Ausfall von Trainingskamerad Valokaja Hindö, als es in den Bogen von Joinville ging.
Wenig später verdrängte Bahia Quesnot mit einem Kraftakt Anzi des Liards, wurde von Romain Derieux‘ Wallach zu Beginn des Anstiegs jedoch wieder abgelöst, womit Cleangame der äußere Fahrtwind um die braunen Ohren pfiff. Inzwischen hatten sich hinter ihm Drôle de Jet und Alcoy aufgebaut. Ab 700 Meter vorm Ziel ließen „Jean-Mi“, der sich mit dem erstmals auf Gruppe-Niveau präsenten Ganay de Banville bereits den Prix Joseph Aveline gesichert hatte, bzw. Cleangame die Muskeln spielen. An der Einmündung der kleinen Bahn war Anzi des Liards geschluckt, und als „Jean-Mi“ dem einst so wackligen Ouragan-de-Celland-Sohn an der letzten Ecke den Kopf endgültig freigab, wurde der Rest regelrecht demontiert.
Sieben Längen voraus spazierte der Achtjährige, dessen finale 500 Meter in 1:08,4 gestoppt wurden, „comme à la parade“ ins Ziel, und wäre da nicht sein letztjähriger Lapsus, so wäre der Sieger der letzten fünf Sommerpreise ausschließlich aus dem Quartier des französischen Trainerchampions gekommen: Mit Bélina Josselyn hatte sich der 49-jährige das wertvollste Rennen dieses Meetings für die Älteren 2016 geholt, mit Aubrion du Gers 2017 und 2018. So zügig wie Cleangame mit seinen blanken 1:11 hat jedoch noch niemand die Lorbeeren eingeheimst.
Die Schonzeit, die Eric Raffin dem versteckten Tony Gio angedeihen ließ, münzte der Italiener aus dem Lot der Scuderia Bivans in einen trockenen Endspurt um, mit dem er Drôle de Jet um 1½ Längen links liegen ließ und zum Millionär wurde: 1.029.015 Euro hat der Sohn der beiden Gruppe-I-Sieger Varenne und Ilaria Jet angesammelt. Auf den Sprung ins „Siebenstellige“ muss Bahia Quesnot dagegen noch ein wenig warten: Die anfangs so offensive Ausrichtung zog der ihren 98. Start absolvierenden Stute gründlich den Zahn; sie kam über Platz sechs nicht hinaus - ergibt einen Kontostand von 994.856 Euro.
„Er steht seit einiger Zeit wieder in Grosbois, was ihm augenscheinlich besser gefällt“, kommentierte „JMB“, „ich habe ihn zuletzt härter gearbeitet, nachdem er mir ein paarmal etwas mau schien. Heute war er wieder ganz der Alte, nur in der ersten Kurve und auf der Tribünengeraden musste ich etwas vorsichtig sein. Einmal vorn, brauchte ich nur die Hände aufzumachen, und er ist marschiert.“ Nicht weiter kommentieren wollte er die Frage nach einer möglichen Prix-d’Amérique-Teilnahme, sollte sich nicht als Luftnummer erweisen, dass zum Rennen der Rennen 2021 ein Wallach eingeladen werden soll: „Wir werden abwarten, was sich die verantwortlichen Herren dazu ausdenken.“
Prix d’Eté (Gruppe II int., Vier- bis Zehnjährige)
2700 Meter Bänderstart o.Z., 145.000 Euro
1. Cleangame 11,0 Jean-Michel Bazire 12
8j.br. Wallach von Ouragan de Celland a.d. Red Bell von Jag de Bellouet
Be: Jean-Michel Rancoule; Zü: Alain-Louis Beaumont; Tr: Jean-Michel Bazire
2. Tony Gio 11,4 Eric Raffin 130
3. Drôle de Jet 11,5 Pierre Vercruysse 61
4. Alcoy 11,7 Christophe Martens 120
5. Anzi des Liards 12,2 Romain Derieux 290
6. Bahia Quesnot 12,5 Jean-Christophe Sorel 670
7. Etoile de Bruyère 13,3 Charles Dreux 1250
8. Hudson River 15,2 Franck Ouvrie 1050
Valokaja Hindö dis.r. Nicolas Bazire 430
Sieg: 12; Richter: überlegen 7 - 1½ - 2½ - 8 - 3 - 12 Längen; 9 liefen
Zw-Zeiten: 12,4/1200m - 11,7/1700m - 11,6/2200m - 08,4/letzte 500m
Wert: 65.250 - 36.250 - 20.300 - 11.600 - 7.250 - 2.900 - 1.450 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2020-09-05/7500/6
Héros stramm vorneweg
Wie der Prix d’Eté waren die anderen beiden Gruppe-Aufgaben quantitativ dünn besetzt. Im Prix de Basly für die dreijährige Kavallerie gingen die Blumen an Héros de Fleur, der im sechsten Anlauf den ersten Gruppe-Titel holte - und das in einem Stil, an dem es nichts zu deuteln gab. Bislang nicht als Monté-Spezialist berüchtigt, kannte Eric Raffin mit dem Schützling von Trainer Flavien Prat kein Pardon, scheuchte ihn gegen die gemeinten Hudson Védaquais und Hytte du Terroir resolut nach vorn und legte eine stramme Fahrt vor, die die Rivalen im Zaum hielt.
Als Hispanien bergauf dennoch allmählich außen anrückte, wechselte Yoann Lebourgeois vor ihm nach außen - mit fatalen Folgen. Derweil Héros de Fleur seinen Stiefel unerbittlich durchzog und die innen engagierte Hytte du Terroir nicht an sich heranließ, stolperte der Allaire-Schützling an dritter Stelle 300 Meter vorm Ziel über seine müden Füße, war damit „out“ und machte den Weg zu „Bronze“ für Hispanien frei.
Sechs Längen voraus holte sich Héros de Fleur, ein Fuchs mit langer, schmaler Blesse, den größten Batzen seiner Laufbahn und sollte es bei 108.190 Euro, die nach immerhin schon 18 Versuchen auf dem Konto prangen, nicht lange bewenden lassen.
Prix de Basly - Monté - (Gruppe II nat., dreij. Hengste und Stuten)
2175 Meter Bänderstart o.Z., 85.000 Euro
1. Héros de Fleur 13,4 Eric Raffin 52
3j. Fuchshengst von Ludo de Castelle a.d. Rue Chance Folle von Look de Star
Be / Tr: Flavien Prat; Zü: Lucien Haize
2. Hytte du Terroir 13,9 Alexandre Abrivard 62
3. Hispanien 14,3 Anthony Barrier 140
4. Héra Landia 14,7g Paul-Philippe Ploquin 45
5. Hector des Champs 15,4 Damien Bonne 610
6. Holly d’Amour 20,9 Mansour Krouchi 920
Hudson Védaquais dis.r. Yoann Lebourgeois 19
Sieg: 52; Richter: überlegen 6 - 5 - 5 - 7 Längen; 7 liefen
Zw-Zeiten: 11,2/675m - 12,4/1175m - 13,4/1675m
Wert: 38.250 - 21.250 - 11.900 - 6.800 - 4.250 - 1.700 (- 850) Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2020-09-05/7500/8
Junger deutscher Bekannter vorn
Den internationalen Prix de Montier-en-Der für Fünf- und Sechsjährige, die keine 270.000 Euro auf der hohen Kante hatten, dürfte sich Trainer Grégory Thorel mit traurigem Schwarz im Kalender ankreuzen. Drei Aspiranten hatte er unter Order, darunter den haushohen Favoriten - und holte dennoch lediglich das Kleingeld in der mit sieben Gespannen dünn bestückten Langstrecken-Aufgabe.
Während seine Evening Star nach kurzem Intermezzo in dritter Spur von Anthony Barrier nach hinten beordert wurde und dort bald aus dem Blickfeld verschwand, machte es Favorite Fligny zunächst besser und kam hinter Holy Water unter, mit dem Yoann Lebourgeois zügig den Taktstock ergriffen hatte. Hergeben wollte er ihn gegen den mächtig dräuenden Fire Cracker nicht, dessen Dauerdruck erst im Scheitel des Joinviller Bogens von Erfolg gekrönt war. Waren 1:12,5 für die ersten 1350 Meter kein Pappenstiel, so ließ es Raffin bergauf ohne Not noch ein bisschen mehr kesseln.
Das war dem zehnfachen Sieger eindeutig zu viel, wie sich auf dem Schlussabschnitt zeigte. Als der auch schon arg strapazierte Holy Water an der Einmündung der kleinen Bahn zur Attacke blies, war bei Fire Cracker jegliches Feuer erloschen. Doch auch der Schwede, an Ort und Stelle Zweiter des Europachampionats der Dreijährigen hinter einem gewissen Face Time Bourbon, hatte sich kräftig übernommen. Es galt der alte Spruch, die (fast) Letzten würden die Ersten sein.
Erst war der ein prächtiges Frankreich-Debüt gebende, bislang in Südschweden aktive Martin de Bos vorbei. Noch besser konnte es der seit Mitte Mai von Philippe Allaire auf Vordermann gebrachte Belgier Lover Boy, der bei seinem ersten und einzigen Versuch in Deutschland am 26. Oktober 2017 in Gelsenkirchen mit Jos Verbeeck den Preis des Winterfavoriten eingeklinkt hatte. Nach drei Siegen am Stück in Enghien und Cabourg klingelte es mit David Thomain im neunten Anlauf endlich erstmals auf dem Plateau de Gravelle für den Conway-Hall-Hengst, der als Ärmster ins Rennen gegangen war und den größten Scheck seiner Laufbahn in verheißungsvollem Stil einstrich.
Prix de Montier-en-Der (Gruppe III int., Fünf- & Sechsj., keine 270.000 Euro)
2850m Bänderstart o.Z., 70.000 Euro
1. Lover Boy 12,5 David Thomain 30
5j.br. Hengst von Conway Hall a.d. Merlot von Gill’s Victory
Be: Ec. D.S.M. Trotting, BE; Zü: Yannick Desmet, BE; Tr: Philippe Allaire
2. Martin de Bos 12,8 Franck Nivard 170
3. Éclair du Mirel 13,1 Christophe Martens 460
4. Holy Water 13,3 Yoann Lebourgeois 53
5. Fire Cracker 14,1 Eric Raffin 18
6. Favorite Fligny 14,8 Jean-Philippe Monclin 370
7. Evening Star 15,0 Anthony Barrier 650
Sieg: 30; Richter: überlegen 3½ - 5 - 2 - 11½ - 11 Längen; 7 liefen
Zw-Zeiten: 12,5/1350m - 12,1/1850m - 12,9/2350m
Wert: 31.500 - 17.500 - 9.800 - 5.600 - 3.500 - 1.400 - 700 Euro
Video: https://www.letrot.com/fr/replay-courses/2020-09-05/7500/4