Calgary Games? Ab nach Vincennes!

Solvalla & Jägersro, Mittwoch 14. Dezember 2022. Wohl nie zuvor war ein ganz normaler Mittwochabend-Renntag mitten im Dezember von Schwedens Sport-Interessierten und - das darf man mit Fug und Recht behaupten - den Traberfans weltweit mit derart viel Interesse erwartet worden wie diese 36. Auflage des Nordin-Dagen.
Mit dem ehrt Solvalla die Gebrüder Nordin, die einst mit ihrem Vater Ernst Johann von Hagmyren ausgezogen sind, erst Schweden und dann die Traberwelt zu erobern. Rund drei Jahrzehnte beherrschten sie das Geschehen im Land der Tre Kronors, sackten unzählige Derbys ein, formten Klassepferde en masse - bis ein gewisser Stig H. Johansson die Bühne betrat.
Sören (1917 bis 2008), den Jüngsten des Trios, zog es mit seinen Söhnen Ulf und Jan in die Welt hinaus. Zunächst nach Amerika, wo sie mit Baltic Speed einen Weltstar formten, später nach Frankreich (Ulf) bzw. Italien (Sören und Jan), wo sie ebenso für Furore sorgten.
In jedem der drei Ehrenläufe über 2.140 Meter stand die gleiche Summe auf dem Spiel, und doch warteten alle Augen auf jenes „frei für Alle“, das Gösta Nordin (1912 bis 1984, erster Schwede mit 1.000 Siegen) gewidmet ist. Nach 14 Monaten geplanter Auszeit gab Calgary Games sein Comeback. Jener Readly-Express-Sohn, der seinem Erzeuger in Physiognomie, Laufstil, Herz und Kopf wie eine Blaupause gleicht, bei neun Auftritten noch keinen Bezwinger gefunden und die „Freizeit“ zum ausgiebigen Deckgeschäft genutzt hat.
Er ist der Fremdling, den die Franzosen trotz der langen Pause am meisten fürchten, wenn’s um die Frage geht, wer ihnen den Sieg im Prix d’Amérique 2023 vor der Nase wegschnappen könnte. Bei winterlichen Bedingungen mit Schneeschauern schlugen für den kompakten Braunen um 20.41 Uhr die ersten Minuten der Wahrheit auf dem von seinem Trainer und Mitbesitzer Timo Nurmos früh vorgezeichneten Weg nach Vincennes.
Zu sehen bekamen die Kiebitze allerdings nur wenig, sieht man vom standesgemäßen, mit 100.000 Kronen zehnten Volltreffer gegen sieben Mitstreiter ab, die ihm von Hause aus nicht annähernd das Wasser reichen konnten - und „Pferde kotzten heute nicht vor der Apotheke.“ Bei einem „Ludde“ Kolgjini in seinen umtriebigen Tagen hätte es vermutlich ein Comeback mit Pauken und Trompeten gegeben.
Björn Goop blieb nüchtern und cool, führte den Modellathleten von der „7“ allmählich über die Todesspur voran, bekam von Dixie Brick nach 700 Metern das Zepter überreicht und bummelte den folgenden Kilometer im 1:14er Tempo ab. An den allgemeinen Waffenstillstand hielt sich auch die neben ihm aufkreuzende Club Nord Elit. „It’s Showtime“ hieß es erst ab 350 Meter vor Abpfiff. Calgary Games beschleunigte aus der Hand auf 1:07 und war dann mal auf sechs Längen weg. Nach kaum aussagekräftigen 1:13,4/2140m steht sein Konto nun bei 6.685.000 SEK.
Voll des Lobes war Goop, der ihn inklusive Wieder-Qualifikation erst zum zweiten Mal steuerte: „Er läuft viel leichter und doch kraftvoller als andere Pferde, fast wie eine andere Rasse. Ich wollte ihn nicht zu hart rannehmen, denn er ist es nicht gewohnt, mit diesem Beschlag zu laufen. Am Ende durfte er ein bisschen von seinem Können zeigen.“
Eine geschlagene Stunde Zeit ließ sich Timo Nurmos, bis er sich der kleinen Reportermeute stellte und ihnen Zucker gab: „Ich bin überaus zufrieden. Geht’s ihm morgen gut, startet er Heiligabend in Vincennes.“ Dort steht der Prix Ténor de Baune auf der üppigen Weihnachtskarte, dessen Sieger neben 90.000 Euro einen Freifahrtschein für den Prix d’Amérique 2023 erhält. Die Richtung ist folglich glasklar…
Gösta Nordins Lopp (int., mind. 300.001 SEK)
2140m Autostart, 232.500 SEK
1. Calgary Games 13,4 Björn Goop 10,3
5j.br. Hengst von Readly Express a.d. Olympia Tilly von Lindy Lane
Be: Stall Timo Nurmos AB & Menhammar Stuteri AB; Zü: Menhammar Stuteri AB; Tr: Timo Nurmos
Pflegerin: Fredrica Sandberg
2. Eddy West 14,0 Claes Sjöström 110
3. Racing Brodda 14,2 Magnus Djuse 207
4. Dixie Brick 14,3 Andreas Lövdal 966
5. Custom Cheval 14,6 Carl Johan Jepson 1202
6. Chestnut Hill 14,8 Örjan Kihlström 341
7. Policy of Truth 14,9 Ulf Ohlsson 593
8. Club Nord Elit 15,5 Jorma Kontio 892
Sieg: 10,3; Richter: überlegen 6 - 2 - 1 - 3 - 1½ - 1 Länge; 8 liefen
Zw-Zeiten: 10,8/500m - 14,3/1000m - 15,2/1500m - 08,1/letzte 500m
Wert: 100.000 - 50.000 - 29.000 - 17.500 - 11.500 - 9.000 - 5.500 SEK
Video: https://www.youtube.com/watch?v=BGa6yDhZbbQ
Den Auftakt machten mit dem Sören Nordins Lopp sieben Dreijährige, von denen der wieselflink vor Thereisnolimit in Front geflitzte Combat Fighter pausenlos von Destino DJ unter Druck gesetzt wurde, was beiden nicht sonderlich gut bekam. Die Hände reiben konnte sich Magnus Djuse, dessen A Sniper seinem Namen sehr gerecht wurde, aus der Deckung erst den arg strapazierten Destino DJ abservierte und sich dann auch den Tempomacher zur Brust nahm.
Einen Hauch zu spät kam Thereisnolimit aus der Falle, der 50 Meter vorm Ziel noch mal prächtig anpackte und im Kampf der beiden Championatsanwärter Ulf Ohlsson noch einen Zähler zu bescheren können schien. Djuse hatte jedoch das Glück der Jugend und wischte mit dem SJ’s-Caviar-Sohn einen Hauch eher am Pfosten vorbei, was seinem Wallach den dritten Erfolg aus 18 Versuchen bescherte, womit sein Guthaben auf 461.800 SEK sprang.
Den Reigen der verwandelten Elfmeter setzte Carl Halbak im Gunnar Nordins (1914 bis 1980) Lopp für die Vierjährigen nach bewährtem Muster fort: früh die Führung übernehmen, das Tempo drosseln und hinten heraus den Sack mit Doppelknoten zubinden. Von der „2“ war’s für den Orlando-Vici-Sohn keine Frage, die Spitze zu erobern. Anschließend ließ Magnus Djuse die Corona aufmarschieren, die es in die dritte (Lee Harvey Bros) und vierte (Red Lady Express) Schlussbogenspur verschlug.
Djuse, der nunmehr mit 247:238 Siegen gegen Ulf Ohlsson vorn liegt, ließ seinen Wallach nicht mehr als unbedingt nötig für den fünften Sieg „lifetime“ und dritten dieser Saison von der Leine, so dass Hard Landing direkt dahinter keinen Freiraum zu Rang zwei fand, der an Conch on Inn ging. Prominenteste Typen auf dieser Ehrenliste sind Zoogin (1994), Opal Viking (2004), Beanie M.M. (2007), Iceland (2008) und Disco Volante (2017).
Tetricks kleiner Bruder Winterfavorit
Am meisten hatten die Hauptstädter für die Zweijährigen übrig, die im leichten Schneetreiben um kurz vor 22.00 Uhr zum Abschluss des eisigen Abends die 2.140 Meter des mit 417.500 Kronen dotierten Vinterfavoriten vor der Brust hatten. Für das verlorene Jahr Tetrick Wanias, der nach dem Ehrenplatz am 13. April in Vermo wegen eines Hufabszesses keinen weiteren Start absolvieren konnte, entschädigte sein kleiner Bruder Vegas Wania.
Der Father-Patrick-Sprössling hatte nach dem Einstandssieg im finnischen Forssa die Plätze zwei im Vorlauf des Svensk Uppfödiningslöpning und drei in dessen Finale - nunmehr schon im Mitbesitz von Karin Walter-Mommert - belegt und avancierte mit Züchterin und Trainerin Riina Rekila im Sulky zum „Winterfavoriten“ in einem Stil, an dem es nicht das kleinste Fitzelchen zu kritteln gab.
Wie ein alter Hase flitzte er auf dem schneeigen Geläuf von der „2“ ins Kommando und ließ sich weder von Coral Coger noch von dessen „Ablösung“ Immortal Doc ins Bockshorn jagen. Kernig legte er stets das nötige Quantum zu und befreite sich auf 2½ Längen zum zweiten Volltreffer seiner kurzen Laufbahn; mit 658.205 SEK geht er ins Winterquartier.
„Ich weiß zwar um seine Schnelligkeit, habe ihn aber noch nie so zügig wie heute vom Start segeln lassen. Er war großartig! Nun werden wir über Winter Kraft und Kondition aufbauen und hoffen, dass es im kommenden Jahr für ihn besser läuft, als diese Saison für seinen Bruder gelaufen ist.“
Vinterfavoriten (nat., Zweijährige)
2140m Autostart, 417.500 SEK
1. Vegas Wania 15,0 Riina Rekilä 26
2j.dklbr. Hengst von Father Patrick a.d. Random Destiny von Ken Warkentin
Be: Riina Rekilä & Karin Walter-Mommert; Zü: Riina Rekilä; Tr: Riina Rekilä
Pflegerin: Fredrica Sandberg
2. Immortal Doc 15,2 Björn Goop 34
3. Frustration 15,3 Magnus Djuse 32
4. Gimmie Brodde 15,6 Ulf Ohlsson 181
5. Coral Coger 15,7 Rikard Skoglund 451
6. Conrads Palle 16,2 Markus Svedberg 558
7. Custom Charly A.F. 16,4 Carl Johan Jepson 656
8. Dream Combo 16,5 Jorma Kontio 199
9. Kentucky Sisu 17,0g Anders Eriksson 208
Sieg: 26; Richter: leicht 2½ - 1 - 3 - 1¼ Längen; 9 liefen
Zw-Zeiten: 16,1/500m - 17,6/1000m - 16,6/1500m - 15,0/letzte 500m
Wert: 200.000 - 100.000 - 55.000 - 30.000 - 20.000 - 12.500 SEK
Fiftyfour bleibt das Maß der Dinge
Etwas weniger lag für die Generation 2020 bei deren letztem Breeders‘-Crown-Lauf - ein Finale gibt’s für diese Altersklasse in Schweden nicht - 650 Kilometer südwestlich auf dem Jägersroer Gabentisch. Erneut griff Schwedens bester Youngster Fiftyfour hemmungslos zu und packte zu seinem mit 2.135.000 Kronen (von denen stammen 1,6 Millionen aus dem Sieg im Svensk Uppfödningslöpning) ohnehin üppigen Salär des ersten Arbeitsjahres 175.000 Kronen drauf.
Von der „2“ machte Ken Ecce mit dem Fourth-Dimension-Sohn sofort Nägel mit Köpfen und kurbelte so lange, bis Loveletter In (1) aufgab und ihn nach 200 Metern an die Tête ließ. Besser konnte es für Josef Franzls in Schweden registrierte, in Hamburg qualifizierte Tirana bei deren Premiere gar nicht laufen, die im Schlussbogen, als der Kreis der Aussichtsreichen auf ein Quartett geschrumpft war, hinter Ninetta Boko nach außen beordert werden konnte.
Natürlich war viel Pech dabei, dass die Dunkelbraune der Gerrits Recycling Group im Bemühen, dem souverän zum fünften Sieg aus sechs Engagements davon zischenden Fiftyfour ein wenig am Zeug zu flicken, 50 Meter vorm Ziel aus dem Trott kam und die rote Karte sah. Vier Längen hinter dem in einer eigenen Liga beheimateten Fiftyfour raufte sich die auf Lasbek geborene Trixton-Tochter um eine Länge an Loveletter In vorbei. Gepflegte 87.500 SEK waren der erste Zuschuss für die Stallkasse.
Breeders‘ Crown - Tvååringar - (int., Zweijährige)
1640m Autostart, 378.000 SEK
1. Fiftyfour 14,4 Ken Ecce 11
2j.br. Hengst von Fourth Dimension a.d. Backfire von Offshore Dream
Be / Zü: Linné Trav AB; Tr: Tomas Malmqvist
2. Tirana 15,1 Josef Franzl 94
3. Loveletter In 15,2 Per Nordström 928
4. Lightning Stride 15,7 Thomas Uhrberg 658
5. Glowing Star 16,0 Stefan Persson 352
6. L’Amiral S.J.S. 16,2g Henrik Thomsen 212
7. It’s about Time 16,3 Kevin Oscarsson 607
8. Pure Diamond 19,1g Gustav Johansson 307
Ninetta Boko dis.r. Adrian Kolgjini 114
Sieg: 11; Richter: überlegen 5 - 1 - 4 - 3 Längen; 9 liefen (NS Nacido Boko / Fieber)
Zw-Zeiten: 13,7/500m - 16,5/1000m - 10,4/letzte 500m
Wert: 175.000 - 87.500 - 43.500 - 25.000 - 17.000 - 10.000 - 10.000 - 10.000 SEK
Scalas Gala
Sogar 110.000 Kronen gingen aufs Konto des deutschen Nobelgestüts für den ungemein beeindruckenden vierten Sieg der dreijährigen Scala in einem Lauf der V75-Klass II für Pferde bis 250.000 SEK Gewinnsumme. Von der „5“ schoss sie los wie eine Rakete und regelte über die geforderten 1.640 Meter alles mit wuchtiger Leichtigkeit.
Als Josef Franzl sie im letzten Bogen losschnurren ließ, legte sie ruckzuck drei, vier, fünf Längen zwischen sich und das konsternierte Feld und steigerte sich um 2,3 Sekunden auf 1:12,3. „Sie ist eine meiner großen Hoffnungen fürs nächste Jahr. Wir haben ihr bewusst viel Zeit gelassen. Sie kommt zurück nach Hause, und wenn unser Plan mit ihr aufgeht, warten 2023 mit Margaretas Tidiga Unghästserie in Solvalla lohnende Aufgaben auf sie“, verriet der „Bayer auf Lasbek“ über die weiteren Ambitionen mit der Muscle-Hill-Stute.