Bonjour Vincennes
(nn) Vincennes, Samstag, 17. August 2019. Seit dem 28. Juni hatte das Plateau de Gravelle seine Ruhe vor den Trabern.
Am Samstag um „kurz nach Zwölfe“ ging’s mit einer Matinée ins Sommer-/Herbst-Meeting - gleich mit vollem Orchester: Je zwei Gruppe-II-Rennen für fünfjährige Inländer und dreijährige Europäer um 100.000 Euro zierten die Acht-Rennen-Karte, bei der mal eben 557.000 Euro unter die Besitzer gebracht wurden und mit der Vincennes sofort bewies, wo in Frankreich die erste Geige spielt. Keine Gnade mit den zwei- und vierbeinigen Kandidaten hatte zum Rentrée der Wettergott: Immer wieder prasselten kräftige Regenschauer auf das Plateau de Gravelle nieder.
Die Ehre der ersten Siegerschleife gebührte im Prix Kozyr, einem Trabreiten um 44.000 Euro für vierjährige Einheimische, Antoine Dabouis und Flamboyant Blue, die die noch 500 Meter vorm Ziel mit 20 Meter Vorsprung souverän führende Filoute de Bassard leicht mit zwei Längen ablederten und in 1:14,2/2700m für 54:10 zuschlugen. Für den von Jean-Philippe Mary trainierten Timoko-Sohn war’s der fünfte volle Erfolg.
Machtwort von Girls Talk
Eingestiegen in die Karriere war Girls Talk mit vier Siegen am Stück und hatte sich fortan wie bei Pferden aus dem Quartier des Monsieur Allaire üblich kräftig im Haifischbecken der Gruppe-Rennen für die Generation 2016 getummelt, wenn ihr auch bei neun weiteren Versuchen lediglich ein Volltreffer gelungen war. Mit 227.400 Euro stieg sie als Zweitgewinnreichste in den Prix Guy Deloison für die „G“-Stuten ein - und doch schien unterwegs Treffer Nummer sechs im wahrsten Sinne in weiter Ferne zu liegen. Nach einem Kilometer hatte Gabriele Gelormini mit Primadonna Green Grass von Greenpeace den Taktstock übernommen und schlug ein Tempo an, bei dem den anderen die Augen tränten. 20 Meter betrug der Vorsprung der Bold-Eagle-Tochter zu Beginn des Anstiegs, 40 waren es 700 Meter vorm Pfosten, wo sich die von Jean-Pierre Dubois fürs deutsche Gestütbuch gezüchtete In Your Dreams als Zweitbeste herausgeschält hatte.
Von echter Verfolgung konnte weder dort noch eingangs der Zielgeraden die Rede sein, wo Gabriele Gelormini begann, die haushohe Favoritin austrudeln zu lassen. Offensichtlich hatte der Italiener die Kräfte der ihren ersten Auftritt nach drei Monaten kreativer Pause absolvierenden Guarato-Elevin über- oder die Gegnerinnen ob des gewaltigen Vorteils unterschätzt. Auf den finalen 100 Metern stand die 15:10-Favoritin förmlich still, während David Thomain bei der unterwegs als äußeres Schlusslicht installierten Girls Talk den Turbo-Knopf fand. Ganz außen rollte die von Philippe Allaire aus den beiden Gruppe-Champions Brillantissime und Be My Girl gezüchtete Braune das Feld inklusive der konsternierten Green Grass auf und schlug leicht um eine Länge als Beste an.
Bis zum Ende wacker dabei blieb die außen viel Nachführarbeit leistende In Your Dreams, die anstelle des möglichen Engagements im deutschen Stuten-Debys mal eben in Enghien Gotland aus dem Feld geschlagen hatte. Da war es nur gerecht, dass die für den italienischen Geschäftsmann Renato Bruni - dessen Farben hatte einst auch Chapeau getragen - antretende Donato-Hanover-Tochter Platz drei knapp gegen Galaxie du Goutier zu verteidigen wusste. Die, als Co-Favoritin aufgezogen, musste zum Einstieg aufs Gruppe-Parkett nach drei feinen Erfolgen erkennen, dass die Arrivierten nicht im Hurra abzuservieren sind.
„Girls Talk hat eindeutig an Stärke gewonnen. Im Einlauf sind wir auf eine Green Grass mit schweren Beinen getroffen, wogegen meine Stute viel Schwung hatte - das gab den Ausschlag“, kommentierte Thomain. Sébastien Guarato nahm seinen Steuermann in Schutz: „Green Grass‘ Comeback auf einer solch matschigen Bahn war gut genug. Am Ende war sie ein wenig müde, doch dieser Start wird sie aufbauen - und beim nächsten Mal können wir uns ja eine andere Taktik zurechtlegen.“
Prix Guy Deloison (Gruppe II int., dreij. Stuten)
2700m Bänderstart o.Z., 100.000 Euro
1. Girls Talk 14,3 David Thomain 139
3j.br. Stute von Brillantissime a.d. Be My Girl von Love You
Zü / Tr: Philippe Allaire; Be: Gitte Poulsen-Allaire
2. Green Grass 3. In Your Dreams 4. Galaxie du Goutier 5. Gee 6. Giuletta Jet 7. Greenpeace 8. Galilea Money 9. Give Me America Gazelle du Corta Gloria du Goutier |
14,4 Gabriele Gelormini 14,5 Matthieu Abrivard 14,5 Thierry Duvaldestin 14,7 Franck Nivard 14,8 Franck Ouvrie 15,3 Pierre Vercruysse 15,6 Alexandre Abrivard 19,3 g François Lagadeuc dis.r. Mathieu Mottier dis.r. Jean-Philippe Monclin |
15 110 72 500 330 650 160 1000 500 100 |
Sieg: 139; Richter: sicher 1¼ - 1½ - Hals - 2½ - 1 Länge; 11 liefen
Zw-Zeiten: 14,1/1200m - 12,8/1700m - 13,7/2200m
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 - 1.000 Euro
Auch bei den Jungs der „Heiße“ geboxt
Wie für Philippe Allaire (durch Girls Talk) unerwartet gewonnen, so war unmittelbar darauf im Prix Pierre Plazen, dem Gegenstück für die dreijährigen Hengste, durch den Tipp des Tages Gotland alles zerronnen. Dass der Ready-Cash-Sohn trotz neun Siegen aus elf Engagements nicht unverwundbar ist, hatte ja am 20. Juli In Your Dreams gezeigt, die ihn im Prix de Rome zu Enghien im Top-Speed abgekanzelt hatte. Andererseits schien Eric Raffin aus Gabriele Gelorminis in die Hose gegangener Hurra-Vorstellung gelernt zu haben, übernahm fast an der identischen Stelle wie Green Grass das Kommando, hatte dann jedoch gar keine Eile und hielt das kompakte Feld, aus dem sich lediglich Stallkamerad Granon Védaquais am Start im Galopp abgemeldet hatte, bei konstant 1:15er Durchgangszeiten dicht beisammen.
Hinter dem 17:10-Brenner zogen Godfather, Heiko Schwarmas Golfe Juan, Frankreich-Debütant Aston Bar und Gaston du Roc einher. Auf dem äußeren Gleis spielte Guillermo Sport, Sieger des Gruppe-I-Klassikers Prix Albert Viel, die Lokomotive für Good Boy Ligneries, Gamin des Perdrix, Gamble River sowie Allaires dritte Waffe Gatsby Perrine. Der brach das Paarlaufen bei endlich deutlich anziehender Fahrt im Schlussbogen auf, wogegen Guillermo Sport sportlich rasch auf verlorenem Posten stand. Die auf ihn eindringenden Angreifer Gamin des Perdix und Good Boy Ligneries schien Gotland, der wie gewohnt keinen Schritt zu schnell tat, unter gütiger Hilfe Raffins abwimmeln und den zehnten Seg unter Dach und Fach bringen zu können.
So leicht ließ sich Franck Nivard jedoch nicht abschütteln und fightete wie sein Good Boy Ligneries bis zur Linie wie ein Berserker um jeden Zentimeter - mit Erfolg! Ein Blick aufs Foto bestätigte, dass der Un-Mec-d’Héripré-Sohn, im Prix Albert Viel unglücklich im Galopp gescheitert, die Nase als Erster an der entscheidenden Stelle hatte und im Kreis der Großen ein ernstzunehmender Kandidat ist: Schließlich war dies erst sein siebter Auftritt, von denen er nunmehr fünf gewonnen und sich von 78.350 auf 123.350 Euro verbessert hat. Eine Länge zurück ging es zwischen Gamin des Perdix, Gamble River und Guillermo Sport eng genug zu. Indes riss die schöne Serie Golfe Juans, der bislang bei all seinen acht Starts auf dem Stockerl gelandet war. Als Achter kam der Jam-Pridem-Sohn trotz schonendsten Verlaufs erstmals ohne Hafergeld in den Stall zurück.
„Grundlage für den Sieg waren ein zügiger Beginn und ein perfekter Verlauf im Windschatten von Guillermo Sport. Dadurch hatte er den nötigen Mumm, Gotland zum Kampf zu stellen“, bilanzierte Franck Nivard kurz und bündig.
Prix Pierre Plazen (Gruppe II int., dreij. Hengste)
für die 2014 geborenen Satteltraber, dem Evangelina Blue ihren Favoriten-Stempel aufdrückte. Fielen bei strömendem Regen am Start der 2175 Meter kurzen Aufgabe Egérie de Banville und in der ersten Kurve Co-Favoritin Etoile de Bruyère aus, so gab Eric Raffin mit El Diablo d’Aut, dem Hahn im Korb der sieben verbliebenen Damen, ein kerniges Tempo vor, dem er letztlich selbst erlag. Hinter ihm postierten sich Enneigée, Espérance du Mont und Elite du Lys, außen löste Evangelina Blue die zunächst nachsetzende Exotica de Retz als Drückerin ab. An der Einmündung der kleinen Bahn war’s um den Hasen geschehen, der zügig nach hinten durchgereicht wurde.
Als hartnäckigste Verfolgerin der von Jean-Philippe Mary trainierten Evangelina Blue entpuppte sich Espérance du Mont, die einfach nicht locker ließ. Mathieu Mottier zog sicherheitshalber Zaumklappen und Ohrenwatte, um die Speedy-Blue-Tochter auf der siebenten Siegerstraße ihrer Laufbahn bei Laune zu halten, was ihm mit zwei Längen voraus bestens gelang. Es war der dritte Gruppe-Treffer der wuchtigen Braunen, die im vergangenen Winter-Meeting einen famosen Lauf hatte und unter anderem mit dem Prix des Centaures klassischen Lorbeer geerntet hatte. Platz zwei hielt die bislang über bessere Prämien in Gruppe-Rennen nicht hinausgekommene Espérance du Mont um einen „Hals“ gegen Exotica de Retz fest, die im Schlussbogen schwer in Nöten schien und mit der zweiten Luft noch einmal dick ins Geschäft einstieg. Vom deutlich abgewatschten Rest hielt sich Enneigée vor dem ausgepumpten El Diablo d’Aut am besten.
„Das war ein Parcours ganz nach meinem Geschmack mit viel Tempo. Ich hatte Mathieu gebeten, sich lange bedeckt zu halten. Er hat das fast perfekt umgesetzt, obwohl er ein bisschen früh vorn aufgekreuzt ist. Doch sein Timing war goldrichtig. Wir sehen uns im Prix de Normandie (Gruppe I am 14. September/Anm.d.Red.) wieder“, fand Trainer und Besitzer Jean-Philippe Mary ein klitzekleines Haar in der Siegsuppe.
Prix Hervé Ceran-Maillard - Monté - (Gruppe II nat., fünfj. Stuten & Hengste)
für die Fünfjährigen Enino du Pommereux, womit sich auch bei den „gefahrenen“ „E“-Trabern der Favorit durchsetzte. Gleich in vorderer Linie dabei, wehte dem Überraschungssieger des Critérium des 4 Ans, nachdem sich sein Zugpferd Excellent auf Zielschildhöhe von Earl Simon die Kapitänsmütze geschnappt hatte, nach hinten versetzt der äußere Fahrtwind um die braune Nase. Ein kräftiger Tritt aufs Gaspedal von Matthieu Abrivard, ein kerniger Zwischenspurt - zackzack tauchte der Coktail-Jet-Sohn an der Flanke des Leaders auf und durfte im Scheitel des Joinviller Bogens selbst nach vorn.
Nach diesem Kraftakt nahm Abrivard das Tempo verständlicherweise etwas heraus, so dass die äußeren Chargen aufzurücken begannen und Earl Simon aus der Reserve in die Todeslage lockten. An der Intersektion der Pisten setzte sich das vordere Trio vom Rest ab. Brillant zog Earl Simon vom Leder und schien Enino du Pommereux schwer am Wickel zu haben. Direkt dahinter baute Alexandre Abrivrad Excellent vielversprechend auf. Bezwungen war Enino jedoch noch lange nicht. Unter deutlichen Ermahnungen zeigte der Braune, wie hart er zu kämpfen versteht, und machte sich auf den finalen 50 Metern leicht zum Zwei-Längen-Sieg frei - dem zehnten in seiner 34 Starts und nunmehr 630.030 Euro umfassenden Laufbahn.
Earl Simon, beim zweiten Auftritt nach vier Monaten Deckeinsatz bzw. kreativer Erholung noch nicht auf Hundert, gab gegen den prächtig raufenden Excellent um eine Dreiviertellänge klein bei - das kann in 14 Tagen im Critérium schon wieder anders aussehen. In dem belegte im Vorjahr Eninos große Schwester Délia du Pommereux Platz zwei, nachdem sie sich zuvor in eben diesem Prix Jockey mit einem Sieg die nötige Moral geholt hatte. Schlägt der kleine Bruder am 7. September den gleichen Weg ein, hätte Trainer Sylvain Roger sicherlich nichts dagegen. 2½ Längen hinter diesem Terzett schlugen Express Jet, Extra Light, Estola, Epic Julry und Erminig d’Oliverie dicht an dicht an, wobei der Stute, die ihren ersten Start seit dem 10. Februar absolvierte, von Franck Nivard nichts abverlangt wurde. Eridan ließ alle Chancen bei einem kapitalen Startfehler.
Überaus zufrieden war Matthieu Abrivard: „Enino pullt unterwegs nie und ist auf den Punkt da, wenn‘s gilt. Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der ihn in gewissen Grenzen unabhängig von der Taktik macht.“ Sein Cousin Alexandre meinte: „Excellent war gut, aber in 14 Tagen muss er noch einen Zacken besser drauf sein, soll‘s für den ganz großen Wurf langen.“ Davor hat Jarmo Niskanen keine Bange: „Earl Simon ist ein harter Hund, der es liebt zu kämpfen. Dieses Match brauchte er einfach noch und hat mich keineswegs enttäuscht. Ins Critérium geht er rundum barfuß (heute trug er Vordereisen/Anm.d.Rd.) - dann wird er noch stärker sein.“
Prix Jockey (Gruppe II nat., fünfj. Hengste & Stuten)
2700m Bänderstart o.Z., 100.000 Euro
1. Enino du Pommereux 12,9 Matthieu Abrivard 20
5j.br. Hengst von Coktail Jet a.d. Noune du Pommereux von Halimède
Be / Zü: Noël Lolic; Tr: Sylvain Roger
2. Excellent 3. Earl Simon 4. Express Jet 5. Extra Light 6. Estola 7. Epic Julry 8. Erminig d‘Oliverie 9. Elite du Ruel 10. Easy des Racques 11. Express du Gers 12. Eye of The Storm El Villagio Eridan |
13,0 Alexandre Abrivard 13,1 Franck Ouvrie 13,3 Pierre Vercruysse 13,3 François Lagadeuc 13,3 Yoann Lebourgeois 13,4 Jean-Paul Gauvin 13,4 Franck Nivard 13,4 Franck Anne 13,5 Benjamin Rochard 13,8 Eric Raffin 14,1 Nicolas Bazire dis.r. Louis Baudron dis.r. David Thomain |
82 64 220 730 420 540 230 260 1510 180 1050 270 82 |
Sieg: 20; Richter: leicht 2 - ¾ - 2½ - ¾ - Hals - ½ - ¾ - Kopf; 14 liefen
Zw-Zeiten: 12,6/1200m - 12,9/1700m - 13,9/2200m
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 - 1.000 Euro