Bilibili zum Dritten
(nn) Vincennes, Sonntag, 5. Januar 2020. Unweigerlich wurde man nach dem Prix du Calvados, der Generalprobe für den in 14 Tagen anstehenden Prix de Cornulier, an ein mittlerweile geflügeltes Wort des englischen Nationalspielers Gary Lineker erinnert, der frustriert bekannte: „Fußball ist ein Spiel zweier Mannschaften mit 22 Akteuren, und am Ende gewinnen immer die Deutschen.“
Der „Deutsche“ des Calvados heißt Bilibili. Der Monté-Crack des sich als Trainer in dieser Disziplin immer deutlicher in den Vordergrund schiebenden Laurent-Claude Abrivard hatte ihn rundum beschlagen mit Filius Alexandre 2018 wie 2019 an seine Fahne geheftet. So hatten die „turfistes“ trotz geradezu unterirdischer Vorstellungen im Fahren, das allerdings noch nie Bilibilis Magenspeise war, guten Grund, ihn erneut mit vier Eisen versehen auf den Favoritenschild zu heben. Zur mageren Quote beigetragen haben mag, dass es um Traders, den Runner-Up des Vorjahrs und zweiten Millionär, in diesem Herbst nicht viel besser ausgesehen hatte.
Alexandre Abrivard ließ seine Fans lange schmoren. Die auf Gruppe-Ebene noch nie aktiv gewesene Bacherra du Moulin schnappte sich vor Traders und Brainstorm das Zepter, wogegen von Bilibili lange nichts zu sehen war. Hinter der die äußeren Garden anführenden Dynasty Péji, Catalogne, Bilooka du Boscail und Etoile de Bruyère zockelte er als äußerer Fünfter daher und schnupperte erst mit Beginn des Anstiegs dezent in Spur drei. Das rief Alexandres Cousin Matthieu Abrivard auf den Plan, der die nach langer Abstinenz mal wieder gesattelte Bilooka du Boscail vor ihn setzte, derweil Bacherra du Moulin allmählich das hohe Niveau spürte und sich nach hinten abseilte. Dadurch kam Dynasty Péji ins Kommando und hatte Catalogne und Traders am Hacken.
Die waren eingangs der Zielgeraden mit ihren Kräften am Ende, wo Traders zu allem Überfluss galoppierte. Dafür schlug das Pendel immer vehementer zugunsten der Abrivards aus. So prächtig sich Bilooka du Boscail, die in jüngeren Jahren einige höchst achtbare Monté-Vorstellungen gegeben hatte, auch reinhängte, war gegen Bilibili kein Kraut gewachsen. Ohne den geringsten Handschlag seines Reiters erledigte der muskelbepackte Hengst die brave Look-de-Star-Tochter viel leichter, als der Vorsprung einer Dreiviertellänge aussagen mag. 13. Sieg aus 44 Engagements, das Konto auf 1.510.600 Euro gestreckt - nun muss das „Homebred“ des Monsieur Jean-Pierre Barjon nur noch „eisenlos“ das Kunststück des Vorjahrs wiederholen und sich in 14 Tagen zum zweiten Mal in die Ehrenliste des Cornulier eintragen. In sehr übersichtlichen Abständen gingen die weiteren Prämien in dieser Reihenfolge an Etoile de Bruyère, die damit wie Bilibili und Bilooka die Eintrittskarte zum Cornulier sicher hat, Catalogne und Evening Star.
Prix du Calvados - Monté - (Gruppe II int., fünf- bis elfj. Stuten & Hengste)
2850 Meter Bänderstart o.Z.; 130.000 Euro
1. Bilibili 13,0 Alexandre Abrivard 20
9j.br. Hengst von Niky a.d. Quetty du Donjon von Coktail Jet
Be / Zü: Jean-Pierre Barjon; Tr: Laurent-Claude Abrivard
2. Bilooka du Boscail 3. Etoile de Bruyère 4. Catalogne 5. Evening Star 6. Dynasty Péji 7. Bacchera du Moulin 8. Brainstorm 9. Eridan 10. Evidence Roc Class Action Traders |
13,0 Matthieu Abrivard 13,2 Adrien Lamy 13,3 Mathieu Mottier 13,5 Anthony Barrier 13,6 Damien Bonne 13,7 Emile Fournigault 14,0 Jonathan Vanmeerbeck 15,0 David Thomain 21,7 Emilie Le Beller dis.r. Eric Raffin dis.r. Yoann Lebourgeois |
100 100 150 190 180 440 1830 220 1570 200 52 |
Sieg: 20; Richter: leicht ¾ - 2 - 2 - 2½ - 2 - 1½ Längen; 12 liefen
Zw-Zeiten: 14,1/1350m - 13,3/1850m - 13,1/2350m
Wert: 58.500 - 32.500 - 18.200 - 10.400 - 6.500 - 2.600 - 1.300 Euro
Green Grass‘ Wiedergutmachung
Eine bittere Pille bekam im Prix de Tonnac-Villeneuve für 2016 in Frankreich geborene Stuten und Hengste Philippe Allaire zu schlucken. Sein Gotland, Herrscher der ersten Zweijährigen-Stunden und bei den ersten neun Auftritten nur durch eine rote Karte aus dem Winner Circle zu verdrängen, bestätigte den Eindruck der letzten Wochen, dass es mit der einstigen Dominanz nicht mehr weit her ist. War Platz drei am 23. November noch annehmbar, so gab’s die deftige Klatsche im Critérium des 3 Ans am 15. Dezember, das er nach aufwändigem Verlauf lediglich als Neunter beendete. Die Wiedergutmachung gelang dem Kind der beiden Gruppe-I-Heroen Ready Cash und Sanawa nur halb. Auf dem ersten Kilometer von Eric Raffin in der Todesspur eigesetzt, vermochte er dann hinter den sofort das Kommando an sich reißenden Général du Parc zu schlüpfen - jenen Dauerrivalen seit frühen Tagen, der nach dem Ausflug zum Mailänder Gran Premio Orsi Mangelli noch stärker auf dem Zahnfleisch läuft, an der letzten Ecke rigoros den Anker warf und als Achter und Letzter am Zielrichter vorbeimarschierte.
Da war’s um Gotland ein bisschen besser bestellt, der aber auch nicht kontern konnte, als Gu d’Héripré in zweiter und Green Grass sogar in dritter Linie die Messer zu wetzen begannen. Streckte der erst am 7. Dezember ins Gruppe-Geschehen eingestiegene Coktail-Jet-Sohn, der im Critérium des 3 Ans die schon sicher voraus scheinende Gunilla d’Atout noch ganz gehörig ins Schwitzen gebracht hatte und nach dieser Performance diesmal der logische Favorit war, so hatte, wie bald zu sehen, Green Grass etwas mehr auf der Pfanne. Das war insofern überraschend, als die einstige Primadonna ihrer Generation zuletzt eine ähnlich maue Entwicklung genommen hatte wie Gotland und wie jener in besagtem Critérium sang- und klanglos untergegangen war. „Runderneuert“ mit anderem Fahrer - statt Gabriele Gelormini nahm erstmals Mathieu Mottier die Leinen in die Hand -, anderem Beschlag, nämlich rundum barfuß, wie die nunmehr Vierjährigen seit dem 1. Januar antreten dürfen - und vor allem anderer Taktik war die bullige Braune nicht wiederzuerkennen. Mottier versteckte sie so lange es irgend ging im Mittelfeld, ging erst auf den finalen 600 Metern in die Offensive und fuhr damit goldrichtig. Sicher um 1½ Längen setzte die Braune mit der unterbrochenen Blesse, die als Kind aus Bold Eagles erstem Jahrgang stets besondere Aufmerksamkeit genossen hat, Gu d’Héripré sehr sicher schachmatt und hat nach dem achten Treffer, zugleich dem sechsten der Gruppe-Kategorien, 405.400 Euro auf der Habenseite.
Drei Längen zurück gab’s für Gotland fast die Höchststrafe, der auf den letzten Metern gegen Guaratos zweite Waffe Gamble River haarscharf den Kürzeren zog. Da wird sich Monsieur Allaire für die kommenden Wochen einiges einfallen lassen müssen, denn sein zweiter Schützling Golden Bridge fiel, durchweg am Ende des Pulks laufend, aus dem sich Get Happy früh und Guillermo Sport eingangs der Schlusskurve im Galopp ausgeklinkt hatten, zu Beginn der Zielgeraden aus. Lediglich der aus Gotlands Sog als Fünfter ankommende Gallant Way zeigte Normalform. Überaus zufrieden war Sébastien Guarato mit dem unerwartet deutlichen Aufschwung: „Green Grass hat sich offensichtlich wieder gefunden. Erstmals durften wir ihr die Eisen abnehmen, dazu haben wir auf ein strammes Martingal verzichtet - das scheint ihr gefallen zu haben. Mathieu konnte ihr die Kräfte viel besser einteilen. Die Anderen haben sich am Berg verausgabt. Das hat sie gnadenlos ausgenutzt.“
Prix de Tonnac-Villeneuve (Gruppe II nat., vierj. Hengste und Stuten)
2700 Meter Bänderstart o.Z.; 100.000 Euro
1. Green Grass 14,1 Mathieu Mottier 97
4j.br. Stute von Bold Eagle a.d. Tootsie Smiling von Goetmals Wood
Be: Sébastien Dewulf; Zü: Frédéric Brouilloux; Tr: Sébastien Guarato
2. Gu d’Héripré 3. Gamble River 4. Gotland 5. Gallant Way 6. Get Happy 7. Gala Téjy 8. Général du Parc Guerrier Royal Guillermo Sport Golden Bridge |
14,2 Franck Nivard 14,4 Matthieu Abrivard 14,4 Eric Raffin 14,5 David Thomain 14,5 Jean-Philippe Monclin 15,2g Christophe Chalon 15,4 Alexandre Abrivard dis.r. Guillermo Roig Balaguer dis.r. Patric-Joël Pascual Lavanchy dis.r. Yoann Lebourgeois |
18 330 58 120 1570 1910 570 2210 100 83 |
Sieg: 97; Richter: sicher 1½ - 3 - Kopf - 2 - Hals - 8½ Längen; 11 liefen
Zw-Zeiten: 17,3/1200m - 15,4/1700m - 14,9/2200m
Wert: 45.000 - 25.000 - 14.000 - 8.000 - 5.000 - 2.000 - 1.000 Euro
Drei „Bazires“ auf dem Treppchen
Was für eine Backpfeife für Rudi Haller, Orlando Jet und all deren zahlreichen deutschen Anhänger, die Deutschlands Pferd des Jahres 2016 auf dem vorgezeichneten Weg zum Prix du Luxembourg am 25. Januar im ebenfalls über 2100 Meter führenden Prix de Lille so hoffnungsfroh die Daumen drückten. Bei der Nagelprobe erlitt der Orlando-Vici-Sohn, obwohl er alles auf seiner Seite hatte, derart kapitalen Schiffbruch, dass man der Erklärungen aus dem Haller-Quartier gespannt harrt. Legt man die vielen exzellenten Auftritte des wuchtigen Braunen zugrunde, so kann er kaum topfit gewesen sein.
Gut, die Anfangsphase war nicht von Pappe, aber das hatte der „Haller Rudi“ sich ja selbst so ausgesucht. Von der „7“ musste er 250 Meter mächtig kurbeln, um gegen Colonel (4) und den außen hängen bleibenden Blues d’Ourville (6) das Kommando zu ergattern, doch sind 1:08,2 für die ersten 500 Meter bei guten äußeren Bedingungen in dieser Gehaltsklasse beileibe nicht ungewöhnlich. Zurückhaltender war Jean-Michel Bazire mit Dorgos de Guez das Match angegangen, rückte allmählich außen vor und bekam für den Anstieg in Alamo du Goutier sogar noch eine zugstarke Lokomotive. An den Fuchs mit der riesigen Blesse hängten sich Clif du Pommereux, Ange de Lune und Bazires dritter Musketier Dreambreaker. Am Gipfel begann für Dorgos der eigentliche Ernst des Lebens. Zügig umkurvte er Alamo du Goutier und nahm sich, einmal in Schwung, sofort Orlando Jet zur Brust, hinter dem Haller gut beraten schien, dem 18:10-Favoriten nur kurz Widerstand entgegenzusetzen. „Bazire père“ nahm das Tempo sofort heraus, um mit einem langen Blick zurück seine beiden Mitstreiter zu suchen.
Haller veranlasste dies, Orlando Jet in die Außenspur zu lancieren. Mitspielen durfte er nur bis eingangs der Zielgeraden. Dann war Orlando Jets Tank leer, und die Galoppade, die ihm die erste rote Karte in Frankreich bescherte, widerfuhr ihm bereits auf dem ungeordneten Rückzug. „JMB“ indes hatte alles rasch in trockenen Tüchern und registrierte mit Freuden, was der geschonte Colonel noch drauf hatte, mit dem sich Filius Nicolas bis auf einen „Hals“ heranarbeitete. Den Rundumschlag des Meisters perfekt machte Dreambreaker, der zwei Längen dahinter ganz innen aus einem um jeden Zentimeter kämpfenden Quartett als Bester knapp vor Clif du Pommereux, Ange de Lune und Nancy America die Ziellinie erreichte und die „Deutschland-Wertung“ gegen Oralndo Jet auch ohne dessen Aussetzer unerwartet klar für sich entschieden hätte. 11.200 Euro wurden dem „Oberkracher“ gutgeschrieben, 36.000 René Guezilles Ecurie Vautors, dessen Dorgos de Guez zum 20. Mal den Zielstrich als Erster erreichte und sein Konto auf 520.180 Euro streckte.
Prix de Lille (int., Sechs- bis Elfj., keine 505.000 Euro)
2100 Meter Autostart, 80.000 Euro
1. Dorgos de Guez 11,2 Jean-Michel Bazire 18
7j. Fuchswallach von Romcok de Guez a.d. Lady Fromentro von Quito de Talonay
Be / Zü: Ecurie Vautors (René Guezille); Tr: Jean-Michel Bazire
2. Colonel 3. Dreambreaker 4. Clif du Pommereux 5. Ange de Lune 6. Nancy America 7. Blues d’Ourville 8. Alamo du Goutier 9. Apollon de Kacy 10. Daélia de Vandel 11. Calou Renardière 12. Elvis Madrik Caly Loulou Orlando Jet Bettina de Tillard I Love Paris |
11,3 Nicolas Bazire 11,5 Alexandre Abrivard 11,5 David Thomain 11,6 Matthieu Abrivard 11,6 Franck Nivard 11,7 Pierre Houel 12,1 Sébastien Hardy 12,1 Mathieu Mottier 12,4 Cédric Mégissier 12,4 Louis Baudouin 12,5 Jean-Michel Baudouin dis.r. Eric Raffin dis.r. Rudolf Haller dis.r. Franck Ouvrie dis.r. Björn Goop |
49 220 500 250 240 560 830 1550 2120 2220 1720 220 62 1890 370 |
Sieg: 18; Richter: leicht Hals - 2 - k.Kopf - Hals - Kopf - 2 - 3½ Längen; 16 liefen
Zw-Zeiten: 08,2/600m - 11,5/1100m - 11,9/1600m
Wert: 36.000 - 20.000 - 11.200 - 6.400 - 4.000 - 1.600 - 800 Euro