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Alessandro Gocciadoro, der Mann des Augenblicks

Alessandro Gocciadoro (Foto: travronden.se)
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Italien

(24h au Trot) Samstag, 16. März 2024. Der am 11. Januar 1975 als Sohn eines Trainers geborene Alessandro Gocciadoro hat seinen Sitz im 13.000-Einwohner-Nest Noceto elf Kilometer westlich von Parma im Norden Italiens und verfügt außerdem über Niederlassungen in Skandinavien und Grosbois.

Derzeit hat er rund 150 Pferde im Training und alle bedeutenderen Rennen Italiens als Trainer und manchmal auch als Fahrer oft mehrmals gewonnen. Verheiratet ist er mit Sinead, die ihm bei der Leitung des Unternehmens sowie bei Planung und Kontakten zu Besitzern und Verbänden sehr präsent zur Seite steht. Er hat um sich herum eine präzise Struktur aufgebaut, die von einem Ziel geleitet wird: Immer und überall zu gewinnen.

Nach dem Triumph mit Vernissage Grif im Grand Critérium de Vitesse de la Côte d’Azur am 10. März in der neuen europäischen Bestzeit von 1:08,1 - so zügig war auch Propulsion bei seinem Sieg im Åbergs Memorial am 25. Juli 2017 unterwegs, der jedoch wie alle europäischen Resultate wegen Nervenschnitten an beiden Vorderbeinen kassiert worden war - war Italiens Campione logischerweise ein begehrter Gesprächspartner.

Gelormini Gabriele equidia fr

Gabriele Gelormini (equidia.fr)

Weil er des Englischen und Französischen nur sehr spärlich mächtig ist und zudem eine außerordentliche Bescheidenheit an den Tag legt, wenn’s um Fragen nach den Gründen seines Erfolgs geht, sprach 24h au Trot mit dessen Landsmann Gabriele Gelormini, seit mehr als einem Jahrzehnt in Frankreich als Catchriver begehrt und etabliert.

24h au Trot: Wie lange kennen Sie Alessandro schon?

Gabriele Gelormini: Gefühlt immer. Solange ich mich erinnern kann, kannten wir die Familie Gocciadoro. Alessandros Vater war und ist selbst Trainer. Er hatte immer ein gutes Pferd im Stall, aber zahlenmäßig war die Struktur bescheiden.

Wie wurde Alessandro Trainer?

Ganz natürlich. Er wollte immer Trainer werden. Er hat es in sich, in seinem Blut. Er ist völlig fasziniert von den Rennen, den Abstammungen und dem Training. Es beschäftigt ihn. Er ist absoluter Enthusiast.

Hat er andere Interessen?

Er liebt es, Tennis zu spielen, und zwar auf einem guten Niveau. Es hilft ihm, mal vollständig den Trainer-Job abzuschalten.

Wie wurde er zu dem unverzichtbaren Trainer, der er heute ist?

Sicherlich dank dieser völligen Hingabe an seinen Beruf. Ich denke, dass ihn die Erfolge in seiner Heimat zum Reisen drängten: Dabei hielt er Augen und Ohren offen, lernte viel und beschloss, das Beste, was er gesehen hatte, in seine Arbeitsmethoden zu übertragen. Seit zehn Jahren sind die Fortschritte konstant und seit fünf Jahren noch spektakulärer. War er 2022 nicht der gewinnreichste Trainer Europas?

Was für ein Chef ist er?

Auch wenn‘s wie ein italienisches Klischee klingt: Sein Team ist wie seine Familie. Es ist sogar seine Familie! Sie alle sind sich sehr einig und haben sehr spezifische Missionen. Alessandro verfügt, seiner Arbeitsweise entsprechend, über sehr viel Personal.

Wie ist diese Arbeitsweise?

Er hat sie im Laufe der Jahre verfeinert. Es basiert hauptsächlich darauf, auf Sandbahnen in moderaten Tempi und zum Teil in sehr großen Lots zu trainieren (Anm. von 24h au Trot: bis zu zwanzig Gespanne). Die organisatorische und logistische Dimension ist sehr beeindruckend.

Besonderes Augenmerk legt er auch auf das Erscheinungsbild und die körperliche Verfassung der Pferde. Schauen Sie sie sich an, wenn sie die Bahn betreten: Sie sind großartig, oft ohne Schleifzeug an den Beinen und sehr befreit. Er liebt Pferde mit großartigen Pedrigrees, schneidet das Training gezielt zu und geht mit Bedacht vor. Bei aller Objektivität ist es große Kunst.

Er hat in seiner Karriere auch kompliziertere Zeiten durchgemacht. Wie hat er reagiert?

Er war betroffen, aber er zeigte Widerstandskraft, forderte sich selbst heraus und kam noch stärker zurück.

Wie wird er in Italien wahrgenommen?

Als Referenz, als Vorreiter natürlich. Er gewinnt viel und dominiert zum Teil derart, dass es zwangsläufig Neider gibt. Eine solche Reaktion gibt‘s sicherlich nicht nur in Italien.

Gocciadoro Alessandro solvalla se

Foto: solvalla.se

Nach dem Sieg im ‚Vitesse‘ war er besonders gerührt. Du warst ihm sehr nahe: Warum dieses Gefühl?

Erstens, weil hinter der Rüstung ein fühlendes Wesen steckt. Zweitens, weil Vernissage Grif als Nachkomme von Varenne Alessandro viel bedeutet. Der Hengst ist jetzt zehn Jahre alt, sie haben viel zusammen erlebt, Höhen und Tiefen. Er ist nicht leicht zu führen, und Alessandro ist sein designierter Fahrer. Dieses Critérium war sein großes Ziel, und er hat es erreicht. All dies zusammengenommen, erklärt die großen Emotionen.

Wurmt ihn die Tatsache, dass er den Prix d’Amérique noch nicht gewonnen hat?

Das glaube ich nicht wirklich. Andererseits hat er den Elitloppet im Visier: Es ist sein großes Ziel. Vor einigen Monaten sagte er sogar zu mir: „Ich bin ein bisschen eifersüchtig auf dich, weil du den Elitoppet gewonnen hast und nicht ich.“ Als ich jedoch im Mai 2023 mit Hohneck gewann, war er der Erste, der mich auf der Piste umarmte und mir gratulierte.

Sie haben in Ihrer Karriere mit Jean-Michel Bazire zusammengearbeitet. Stellen Sie sie und Alessandro Gocciadoro auf eine Stufe?

Sie sitzen mit Sicherheit am selben Tisch, dem der ganz Großen. Die Methoden sind jedoch recht unterschiedlich. Jean-Michel legt Wert darauf, Pferde mit manchmal bescheidener oder gewöhnlicher Herkunft zu formen, während Alessandro auf außergewöhnliche Abstammungen schwört. Aber zweifellos sind es zwei ganz Große, die die Geschichte des Trabrennsports geprägt haben.

Alessandro Gocciadoro und Schweden: nicht gerade ein ruhiger Fluss

„Der große Wendepunkt in meiner Karriere kam 2012, als ich Åke Svanstedt und sein Quartier in Schweden besuchte. Ich war sehr beeindruckt von der Art und Weise, wie das Team geführt wurde, aber natürlich auch von den Bedingungen, unter denen er gearbeitet hat.“ Dieser Auszug aus einem Interview, das 2021 in der schwedischen Zeitschrift Travronden veröffentlicht wurde, beleuchtet den im Gespräch mit Gelormini erwähnten Auslöser.

Schweden ist inzwischen zu Gocciadoros zweiter Heimat geworden; seit einigen Jahren hat dort über die Sommersaison eine Filiale installiert. Bei seiner Ankunft sah das skandinavische Radar rot: Der Italiener wurde wegen zu ruppiger Fahrweise kritisiert und bestraft, in den Kolumnen verschiedener Fachzeitschriften wurden Dopingverdachtsfälle geäußert. Negative Krönung des Ganzen: 2020 wurde er, obwohl gar nicht vor Ort in Örebro, mit an den Pranger gestellt, als einer seiner Angestellter ein Pferd beim Aufwärmen mit der Peitsche traktierte und ein wahrer „Shitstorm“ auf die Italiener niederging.

„Alex“ geriet als Teammanager ins Visier und wurde ad hoc zunächst für ein Jahr gesperrt - ein Urteil, das von Schwedens oberster Instanz des Trabrennsports in der Berufung in Bausch und Bogen aufgehoben wurde. In jenem Travronden-Artikel bekannte er: „Ich habe im Laufe der Jahre Fehler gemacht, aber auch hier habe ich versucht, daraus zu lernen und mir zu Herzen zu nehmen, wie ich sie nicht wiederhole.“

Diese Episoden gehören längst der Vergangenheit an. Gocciadoro hat die schwedische Trainerprüfung absolviert, ist jenseits der Ostsee bestens etabliert und eine echte Bereicherung für die dortige Szenerie. Derzeit spekulieren einige schwedische Medien, ob das italienische Team in den Alby Gård von Upplands Väsby, das Anwesen des legendären Stig Johansson, der sich für dieses Jahr auch als Trainer von der Rennsportbühne verabschiedet hat, einzieht.

Alessandro_Gocciadoro