"Ein positives Signal für den Trabrennsport"
Bericht über das HVT-Züchterfrühstück am Samstag in der Region West.
Es waren wiederum rund 30 Züchter und Besitzer, die sich eine Woche nach der Premiere in der Region Nord nun im Westen zusammenfanden. HVT-Präsidiumsmitglied Otto Kleverbeck hatte auf den Höwingshof geladen und bemerkte schon in der Begrüßung, dass sich das Präsidium mehr Teilnehmer insbesondere aus dem Aktivenkreis gewünscht hätte. Kein Trainer oder Berufsfahrer nutzte die Gelegenheit zum direkten Austausch mit dem HVT, obwohl einige ihr Kommen avisiert hatten.
Für den Hauptverband nahmen neben dem Gastgeber wie in der Vorwoche Präsident und Geschäftsführer Heinz Tell sowie die Vizepräsidentin Maren Hoever teil. Besonders erfreulich war der Umstand, dass alle Züchter-Kategorien vertreten waren und einen guten Querschnitt der westdeutschen Züchterstruktur abbildeten.
Die HVT-Vertreter betonten zu Beginn die Bedeutung des persönlichen Dialogs – die "Züchterfrühstück" genannten Regionalkonferenzen sollen dazu beitragen und in ähnlicher Form beibehalten werden. "Wir freuen uns über jede Form konstruktiver Kritik und sind selbstverständlich bereit, auch Fehler einzugestehen", hielt Heinz Tell die Teilnehmer zu einer offenen Aussprache an, die im Folgenden auch sehr lebhaft stattfand.
Nach der Begrüßung berichtete Heinz Tell über die Ereignisse der vergangenen Monate, die nach dem Ausstieg der RSM-Gruppe ("Winrace") unter der Überschrift "Wieso gibt es überhaupt noch Trabrennsport in Deutschland?" hätten stehen müssen. Durch den Wegfall der RSM-Finanzierung "hätte der Sport implodieren müssen", führte Tell aus – dies zu verhindern, sei seitdem Hauptaufgabe des HVT gewesen. Eine Fortführungsperspektive verdanke man vor allem dem Engagement des Vermarkters German Tote, der bereit ist, allen deutschen Rennveranstaltern – dies sogar für eine unbegrenzte Anzahl von Renntagen – unentgeltlich das gesamte Toto-Equipment zur Verfügung zu stellen sowie die TV-Bildübertragungen der Rennen zu organisieren und zu finanzieren. Darüber hinaus braucht kein Rennveranstalter Wettvermittlungsprovisionen an den Vermarkter zu entrichten. Über die Hintergründe wurde ausführlich berichtet.
Weniger umfangreich als noch in der Vorwoche wurde im Zusammenhang mit Winrace/RSM und der Vermarktung durch German Tote die aktuelle Situation in Hamburg diskutiert, bei der auch die Frage der Schwedenwette nach der Übertragung der ATG-Verträge von der RSM-Gruppe auf das HTZ angeschnitten wurde. Um den Gesamtzusammenhang herzustellen, erläuterte Heinz Tell auch die Hintergründe des Rennwett- und Lotteriegesetzes und der Buchmachersteuer sowie den daraus resultierenden Rückflüssen für den Pferderennsport.
Insbesondere die Ausführungen von Heinz Tell zur strategischen Partnerschaft zwischen der französischen Wettorganisation PMU und German Tote und den Auswirkungen auf den deutschen Trabrennsport stießen auf großes Interesse bei den Zuhörern. Die in Frankreich bestehende Parität zwischen Galopp und Trab werde von den Franzosen auch in Deutschland erwartet, dies stärke die Position des deutschen Trabrennsportes. Die PMU strebt über German Tote eine Konsolidierung des deutschen Rennsports sowie eine Weiterentwicklung des Kerngeschäfts an. Wilhelm Bruns brachte es auf den Punkt und sprach aus, was sicher viele Zuhörer dachten: „Das ist ein deutliches, positives Signal für den deutschen Pferderennsport!“ Im Jahr 2014 wurden allein in den rund 110 deutschen PMU-Trabrennen mehr als 29 Millionen Euro Wettumsatz in Frankreich generiert – 10 Millionen Euro mehr als der Gesamtumsatz auf deutschen Trabrennbahnen 2014. Für das Jahr 2015 sind deutlich mehr PMU-Rennen geplant.
Die französischen Umsätze auf deutsche (PMU-)Trabrennen stellen mittlerweile eine wichtige Finanzierungsgrundlage für den deutschen Trabrennsport dar. Um hier zum einen sichere Kalkulationsgrundlagen zu bieten und zum anderen alle Rennveranstalter an diesen Zuflüssen teilhaben zu lassen, wurde ein Pooling der PMU-Provisionen vereinbart. Auch diese Vorgehensweise wurde vom HVT-Geschäftsführer detailliert erklärt: Zunächst werden die Provisionen verwendet, um die (vor allem durch die erhöhten Rennpreise verursachten) Kosten der PMU-Rennen zu decken. Der Überschuss soll zu einem Drittel an den Rennveranstalter und zu zwei Dritteln in einen Ausgleichsfonds gehen, aus dem wiederum defizitäre Veranstaltungen finanziert werden. Defizitär sind zum Beispiel im vergangenen Jahr die späten PMU-Rennen nach 20 Uhr gewesen – das HVT-Präsidium möchte diese Rennen jedoch weiterhin in jedem Fall durchführen, um den Besitzern und Aktiven die Startmöglichkeit in diesen höher dotierten Rennen zu erhalten. Die Rennveranstalter sollen jedoch keinen finanziellen Verlust erleiden, was den Ausgleichsfonds erforderlich macht.
Zum Paket der PMU-Rennen gehören 2015 auch erstmals sogenannte Lunch-Races, bei denen vier PMU-Rennen zur Mittagszeit stattfinden. Die Umsatzergebnisse der ersten beiden Veranstaltungen in Berlin-Mariendorf waren dabei sehr gut, sowohl in Frankreich wie auch in Deutschland. Insbesondere in diesem Konzept steckte jedoch vorab eine gewisse Unsicherheit, weshalb die Dotation in diesen PMU-Rennen auf 5.000 Euro festgelegt wurde – womit die Rennen weiterhin sehr attraktiv dotiert bleiben, aber das finanzielle Risiko deutlich reduziert wird.
In der weiteren Diskussion ging es unter anderem um das Thema Nachwuchsförderung und das System der Gehobenen Rennen. Heinz Tell erinnerte daran, dass die Vermarktung des Sportes in den vergangenen Jahren Aufgabe der RSM-Gruppe war und es an der aktuellen Situation „nichts schön zu reden“ gebe. Der HVT sei mit einer inzwischen nochmals verkleinerten Zahl von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern allerdings mehr als ausgelastet, dennoch würden trotz sinkender Einnahmen aus den Totalisatorabgaben und sonstiger Gebühren weiterhin schwarze Zahlen geschrieben. Auch wenn er keine Wasserstandsmeldungen abgeben wollte, signalisierte Heinz Tell dennoch, dass auch im Bereich Vermarktung Verbesserungen angestrebt würden.
Als Zuchtverband liegt der Schwerpunkt der HVT-Arbeit naturgemäß in der Zucht – für die anstehende Mitgliederversammlung regt das Präsidium daher einen offenen Austausch über zuchtfördernde Maßnahmen an, eine Anpassung der Züchterprämien-Systematik sei als Beispiel genannt. Hoffnungen auf eine europäische Züchterprämie wollte Heinz Tell keine Nahrung geben – dies sei auf UET-Ebene aufgrund der heterogenen Struktur zwischen Geber- und Nehmerländern nicht realistisch. Aus der Frage zu zuchtfördernden Maßnahmen entwickelte sich eine sehr lebhafte Diskussion um das Zuchtziel Frühreife, die Zweijährigenprämie und das Derby für drei- oder vierjährige Pferde.
Im Zusammenhang mit dem Thema Zucht kamen auch Fragen bezüglich der Kooperation mit dem französischen Zuchtverband auf. Dabei erklärte Heinz Tell, dass eine „doppelte Nationalität als Einbahnstraße“ (Fohlen französischer Stuten könnten französisch und zusätzlich deutsch registriert werden) nicht angestrebt würde. Umgekehrt sei eine Senkung der Gewinnsummengrenzen in den französischen Courses Européennes erstrebenswert, um guten deutschen Pferden auch dort Startmöglichkeiten zu geben.
Nach rund vier Stunden, in denen die drei Präsidiumsmitglieder alle offenen Fragen der Teilnehmer beantwortet hatten, beendete Heinz Tell die Veranstaltung, bedankte sich bei den Anwesenden für den kritischen und konstruktiven Austausch und dankte Otto Kleverbeck für die Bewirtung der Gäste. Das Engagement der anwesenden Züchter wurde in den Gesprächen deutlich – und aus den Reihen der Teilnehmer erfolgte auch ein deutlicher Appell in die eigene Zunft: Die Vermarktung des Trabrennsports beginnt bei jedem einzelnen Züchter, Besitzer oder Aktiven und der Art, wie man sich präsentiert und über das eigene Hobby oder den Beruf spricht. Die Anwesenden verliehen dem Wunsch Ausdruck, dass von dieser Veranstaltung ein positives Signal ausgehen möge.
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(20.04.2015)